Die Gesellschaft Historisches Berlin e.V. fordert in einem Brief an die Minister Tiefensee und Neumann den heimlich geplanten Baubeginn auf der Museumsinsel zu stoppen.

Der Vorstand schrieb gleichlautend an Bundesminister Wofgang Tiefensee, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS)und an Staatsminister Bernd Neumann am 26.08.2008.

Neubau eines „Eingangsgebäudes" auf der Museumsinsel in Berlin

Sehr geehrter Herr Minister,

wir wenden uns an Sie in einer dringenden Angelegenheit, die das geplante, sogenannte neue „zentrale Eingangsgebäude" auf der Berliner Museumsinsel betrifft.

Wie wir aus zuverlässiger Quelle erfahren haben, soll der Baubeginn für das Gebäude im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung bereits für den Herbst dieses Jahres vorgesehen sein, während hochrangige Vertreter sowohl dieser Behörde als auch der Stiftung Preußischer Kulturbesitz noch am 2. Juli d.J. dem Berliner Abgeordnetenhaus auf einer Anhörung mitgeteilt haben, dass der Baubeginn für die ersten Monate des Jahres 2009 geplant sei.

Unseres Erachtens sind mit dem von Chipperfield Architects geplanten Gebäude und von der Stiftung als dem Bauherrn befürworteten Gebäudes nicht nur bezüglich seiner architektonischen Qualität, sondern auch seiner Funktionalität und damit der Sinnhaftigkeit des Hauses noch zu viele ungelöste Fragen verbunden, als dass ein Baubeginn zum jetzigen Zeitpunkt verantwortet werden könnte. Wir haben eher die Vermutung, dass Berliner Parlament und Öffentlichkeit irregeführt wurden und der Baubeginn in aller Hast vorgezogen werden soll, um die öffentliche Diskussion über diese Fragen abzuwürgen.

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Abb. 1 - Vogel-Perspektive von Chipperfield

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Abb. 2 - Simulation "Eingangsgebäude", Perspektive aus der Position des Fußgängers

1. Das Welterbe-Ensemble Museumsinsel wird durch die Errichtung des 105 m langen und 20m hohen Neubaus in nichtssagender moderner, sich nicht einfügender, monotoner Architektursprache gesprengt werden. Das bisher präsentierte Computerbild verheißt Offenheit, Sichtbarkeit des Alten wie des Neuen. Dies ist jedoch eine Täuschung. Die gezeigte Perspektive kann man nur aus der Höhe der Traufe der gegenüberliegenden Hauszeile genießen. Aus der Perspektive des Fußgängers dominiert der Neubau und verdeckt das dahinterstehende und eigentlich viel größere Gebäude. Wir fügen einige Bilder bei, die diese Tatsache verdeutlichen. Die von ICOMOS vorgenommene Evaluierung der Pläne hinsichtlich ihrer Welterbe-Verträglichkeit ist unauffindbar oder nicht vorhanden bzw. wird der Öffentlichkeit vorenthalten.

2. Das Gebäude ist zugleich vom Raumprogramm her disfunktional und überflüssig. Nach unseren Informationen sind von insgesamt 4.000qm Nutzfläche nur etwa 1.000qm für Funktionen eines Eingangsgebäudes vorgesehen, wogegen ca. 3.000qm für Sonderausstellungen reserviert sind. Während die Funktionsräume weitaus zu klein bemessen sind, stehen im Alten Museum und im Pergamonmuseum jeweils eine ganze Etage von z. T. beträchtlicher Raumhöhe zur Verfügung, die nach der beabsichtigten Verlagerung von Verwaltung und Magazinen in die „Museumshöfe" jenseits des Kupfergrabens funktionslos werden und für Sonderausstellungen zur Verfügung stünden.

3. Nach Angaben der Stiftung Preußischer Kulturbesitz werden auf der Museumsinsel mittelfristig durchschnittlich 16.000 Besucher pro Tag erwartet. Für die Lenkung der mit diesem Besucherandrang sich ergebene Verkehrsströme, insbesondere der Reisebusse, an einer in höchstem Maße verkehrsungünstigen Stelle liegen aber bisher keinerlei Pläne vor; die verantwortlichen Stellen Berlins und des Bundes standen über diese Frage bis vor kurzem noch nicht einmal in Kontakt.

Wir fordern Sie daher ebenso höflich wie nachdrücklich auf, den Baubeginn solange zu stoppen, bis die genannten Probleme gelöst sind und ein allgemein akzeptabler Entwurf für das Gebäude vorliegt - falls er sich nicht als überhaupt unnötig herausstellt. Veranlassen Sie bitte ferner:
eine offene Diskussion über diese Fragen unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft
rechtzeitige öffentliche Präsentation der Entwürfe
transparente Entscheidungsprozesse.

Außerdem erscheint uns das Zurückstellen persönlicher Befindlichkeiten einiger Akteure erforderlich.

Dieser Brief ist ein Hilferuf. Die Museumsinsel ist das letzte komplett erhaltene Ensemble öffentlicher Gebäude aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg in Berlin. Es geht hier nicht um Nostalgie oder Geschmacksfragen, sondern um richtig oder falsch, nötig oder unnötig, zu groß oder zu klein.
Bitte lassen Sie nicht zu, daß es auf nicht wiedergutzumachende Weise verunstaltet wird. Die Kosten eines Eingangsgebäudes, das eine schwere Beeinträchtigung des Welterbes darstellt, an der falschen Stelle steht und seiner eigentlichen Funktion nicht gerecht wird, hätten wir alle zu tragen.


Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bernd Wendland, Vorsitzender und Rainer Jacob, MA, stellvertretender Vorsitzender