Der Tagesspiegel, 22. September 2010 - von Ralf Schönball

Bauarbeiten verschieben sich um ein Jahr. Kritiker der modernen Konstruktion fordern neue Planung

Mitte ist eine ewige Baustelle – und nun verzögert sich auch mitten im historischen Zentrum Berlins der Neubau der Rathausbrücke erheblich. Anders als bisher geplant, wird der 44 Meter lange Stahlbau nicht im Frühjahr kommenden Jahres eröffnet, sondern im ungünstigsten Fall erst Anfang 2012. Auf die Kosten des Bauwerks, das versichert man beim Senat, soll dies keinen Einfluss haben. Die Rathausbrücke wird das Nikolaiviertel mit dem Schlossplatz verbinden und rund zehn Millionen Euro kosten. Die „veralteten Pläne" sollten angesichts des Baustopps überarbeitet werden, fordert die Gesellschaft Historisches Berlin.

Eine Wand aus Stahlplatten drückt die Spree zurück und schützt eine tiefe Grube. Hier sollen die Fundamente der neuen Rathausbrücke gegossen werden. In der Tiefe schaufelt ein Bauarbeiter Erdreste auf einen Haufen. In der Mitte des Flusslaufs steht ein langer Steinpfeiler, ein Überbleibsel des historischen Bauwerks, das in mehreren Bögen die Spree überspannte. Der Steinsockel ist der Stahlkonstruktion im Wege und muss noch abgerissen werden. „Wir können nicht weitermachen, weil der Stahllieferant pleitegegangen ist", sagt ein Arbeiter. Auf dem abgezäunten Baugelände sind die meisten Baucontainer verschlossen. Der Kran steht still. Auch sonst ist niemand zu sehen.

Der mit den Arbeiten beauftragte Baukonzern Strabag will sich nicht äußern – und verweist auf den Auftraggeber, das Land Berlin. Der Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Mathias Gille sagt: „Die Insolvenz des Subunternehmers wirkt sich nicht auf unseren Vertrag mit dem Auftragnehmer aus." Außerdem habe der lange Winter die Realisierung des Brückenbaus verzögert. Die Verwaltung rechnet nun mit einer Fertigstellung frühestens Ende nächsten Jahres, möglicherweise aber auch Anfang des Jahres 2012. Vieles wird wohl auch davon abhängen, wie hart der kommende Winter wird.

In der Baubranche heißt es, dass die Stahlpreise bereits wieder fast so hoch sind, wie sie vor der Krise waren. Die Kalkulation für eine Stahlkonstruktion wie die Rathausbrücke dürfte diese Preisentwicklung ganz gehörig auf den Kopf gestellt haben – und könnte eine Ursache für die Schwierigkeiten sein. Gegner der modernen Brücke wie die Gesellschaft Historisches Berlin forderten die Senatorin für Stadtentwicklung Ingeborg Junge-Reyer (SPD) auf, die Baupause für eine Überarbeitung der Pläne aus dem Jahr 1995 zu nutzen: „Das passt doch alles nicht zusammen", sagt der GHB-Vorsitzende Gerhard Hoya. Mit der Barockfassade des geplanten Stadtschlosses würde sich die moderne Architektur nicht vertragen. Außerdem könne man Kosten sparen, indem zum Beispiel auf die Pylone auf der Brücke verzichtet würde. Auch wenn man modern bauen wolle, „dann müsste der 15 Jahre alte Entwurf überarbeitet werden", sagte Hoya.

Auch der Vizepräsident des Abgeordnetenhauses Uwe Lehmann-Brauns (CDU) sprach sich für eine Überprüfung der Planungen aus, „wenn die Kosten dadurch nicht steigen". Die CDU-Fraktion hatte vor zwei Jahren einen Antrag ins Abgeordnetenhaus eingebracht, die Brücke in Anlehnung an das historische Vorbild zu realisieren. Diese hatte zwei Mittelpfeiler, außerdem stand dort das Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten, das heute vor dem Schloss Charlottenburg zu finden ist.