Neubebauung am Berliner Schinkelplatz
Berliner Zeitung, 20.6.2012 von Uwe Aulich

"Eine intellektuelle Frechheit" und einfach "schlimm": Der Senat legt Entwürfe für die Neugestaltung am Schinkelplatz vor - die Architektur von Experten wird scharf kritisiert. Ähnlich wie bei der Diskussion zum Klosterviertel werde man jetzt auf einen Alternativentwurf drängen.

Entwurf für ein kastenförmiges Bürohaus vor Friedrichswerdersche Kirche

Leider kein Scherz. Der Entwurf für ein kastenförmiges Bürohaus, das die Friedrichswerdersche Kirche verdecken wird, stammt von Volker Staab Architekten.

Foto: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung

 

Es ist eine große Portion Sarkasmus gepaart mit einem Schuss Ironie: „Oh, das sieht ja toll aus. Auf so einen interessanten Entwurf wäre ich nicht gekommen", sagt Gerhard Hoya. Er ist der Vorstandsvorsitzende der Gesellschaft Historisches Berlin.

Und ihm fehlen zunächst die passenden Worte, als er die preisgekrönten Entwürfe für ein neues Bürogebäude sowie Wohnhäuser sieht, die ein Investor aus München am Schinkelplatz in Mitte errichten will. „Ich habe keine anspruchsvolle Architektur erwartet. Aber auch nicht, dass es so schlimm wird. Das ist eine intellektuelle Frechheit", sagt Hoya.

Die so kritisierten Architekturentwürfe sind das Ergebnis eines städtebaulichen Wettbewerbs, den die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mit dem Investor im März ausgelobt hatte. Die Gebäude mit 7 000 Quadratmetern Fläche für Büros und Wohnungen sollen am Schinkelplatz zwischen der Friedrichswerderschen Kirche und der Bauakademie errichtet werden.

Die Akademie besteht derzeit zwar nur aus bedruckten Planen, an einer vor Jahren errichteten Musterecke kann man aber die reichhaltigen Verzierungen der alten Schinkelfassaden erkennen, die rekonstruiert werden sollen. Daran müssen sich die Neubauten messen lassen. Schließlich werden sie das Stadtbild prägen und vom Schlossplatz aus zu sehen sein, auf dem am Donnerstag die Gründungsarbeiten für das Humboldt-Forum beginnen.

Doch der herausragenden Bedeutung werden die Häuser mit ihrer langweiligen Lochfassade nicht gerecht. „Die Architektur ist einförmig. Es fehlen zum Beispiel Gesimsbänder", sagt Hoya.

Senatsbaudirektorin Regula Lüscher findet dagegen andere Worte. Sie sei „äußerst zufrieden" mit dem Wettbewerbsergebnis, und sie betont die hochwertige Architektur. „Die prämierten Beiträge setzen die anspruchsvolle Aufgabenstellung in besonderer Weise um und geben eine sehr gute Antwort auf das durch repräsentative Solitäre geprägte Umfeld", sagt Lüscher. Prämiert wurden mit ersten Preisen die Architektenbüros Volker Staab Architekten (Bürogebäude) und Bruno Fioretti Marquez (Wohngebäude), beide aus Berlin.

Die Gesellschaft Historisches Berlin kritisiert indessen, dass Lüscher kein Gesamtkonzept für die Innenstadt hat. „Sie greift immer nur Einzelprojekte wie die Umgebung des Schlossneubaus oder den Schinkelplatz heraus", so Hoya. Ähnlich wie bei der Diskussion zum Klosterviertel werde man jetzt auf einen Alternativentwurf drängen.

Annette Ahme von der Bürgerinitiative „Schöne Mitte. Schöne Stadt" wirft Lüscher vor, dass sie mit ihrer Vorliebe für die modernistische Gestaltung wie mit einer Planierraupe alles sterilisiere und leblos mache. „Die Häuser am Schinkelplatz sind eine Provokation.

Das ist schrecklich, das ist doch nicht zu fassen, das ist so was von fantasielos", sagt Ahme. Untersuchungen hätten gezeigt, dass man die vier oder fünf palaisartigen Gebäude, die einst am Schinkelplatz standen, hätte wieder aufbauen können. Und es scheine Mode zu sein, dass derart wichtige Dinge wie die Gestaltung der historischen Mitte diskutiert werden, wenn die Sommerferien und die Urlaubszeit beginnen.

Die prämierten Entwürfe für die Neubebauung am Schinkelplatz sind in einer Ausstellung zu sehen. Sie wird am Donnerstag um 11 Uhr in der Bauakademie, Roter Saal, Schinkelplatz 1, eröffnet. Die Ausstellung ist vom 21. bis 28. Juni täglich von 12 bis 18 Uhr zu sehen.

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