Die Gesellschaft Historisches Berlin plädiert für den Wiederaufbau der historischen Fassade in Glienicke und beruft sich auf die Denkmalpflege

Berliner Morgenpost, 5.7.2012 - Von Gerhard Hoya

Das Jagdschloss Glienicke liegt in einer Wasser-, Wald- und Hügellandschaft im Südwesten Berlins und ist eingebettet in eine weiträumige Schlösserlandschaft, der sogenannten Potsdamer Kulturlandschaft, die von der Unesco zum Weltkulturerbe der Menschheit erklärt wurde. Das Ensemble aus Schlössern und Gärten wurden im 19. Jahrhundert zu einem Gesamtkunstwerk verbunden.

In seiner Geschichte wurde es vielfach verändert, sodass seine ursprüngliche äußere Gestalt nicht mehr erkennbar ist. Seine Geschichte ist geprägt durch vier Bauphasen: 1682 wurde nach Plänen des Architekten Charles Philippe Dieussart der Grundstein gelegt, 1859 erfolgte der Umbau zum Wohnsitz von Prinz Carl im frühbarocken Stil durch den Architekten Ferdinand von Arnim.

G.Hoya-Berliner Morgenpost vom 05.07.12

Für die Historie - Gerhard Hoya will das Schloss-Ensemble in einer architektionischen Einheit erhalten. Foto von Sven Lambert

1889 vergrößerte und veränderte der Architekt Albert Geyer das Anwesen mit Renaissance- und Barockelementen, und 1964 folgte die Entkernung und Modernisierung durch den Architekten Max Taut für die Nutzung des Jagdschlosses als Bildungsstätte. Seit der Umgestaltung der Schlossanlage in der dritten Bauphase 1889/90 durch Albert Geyer war fast unverändert ein erhaltenes Ensemble vorhanden. Alle Gebäude waren von Geyer einander stilistisch angeglichen und mit ähnlichen Natursteingiebeln, Gauben, Fensterumrahmungen und Bossen versehen worden. Das Schloss hatte eine große Freitreppe zum Garten erhalten. Mit dem Umbau durch Max Taut wurde dieses geschlossene Schloss-Ensemble zerstört! Die Erscheinung des Altbaus wurde von Max Taut mit neuen Elementen belastet; zugunsten einer modernen Eingangsanlage wurde die alte, in den Garten führende Freitreppe beseitigt.

Nach dem Brand im Jahr 2003 wurde das Jagdschloss umfassend saniert. Lediglich die Gartenfassade ist wegen des Streits über den Wiederaufbau des Glaserkers von Max Taut unvollendet. Der in 60er-Jahren erbaute Glaserker wurde wegen Baufälligkeit mit Zustimmung der Unteren Denkmalschutzbehörde im Einvernehmen mit dem Landesdenkmalamt abgerissen.

Nunmehr ordnet das Landesdenkmalamt die Rekonstruktion des Glaserkers an, obwohl sich der Landeskonservator persönlich am 7. März 2011 an den Internationalen Rat für Denkmalpflege Icomos - einen Gutachter der Unesco - gewandt und um Stellungnahme zu den geplanten Umbauten gebeten hatte. In der Antwort vom 14. März 2011 heißt es: "Abschließend rät Icomos dringend dazu, die Eingangstüren und das Fenster im ersten Obergeschoss der Gartenfassade zu reparieren, gegebenenfalls mit einer zusätzlichen Konstruktion zur Verbesserung der Wärmedämmung, und nicht durch völlig neue Elemente zu ersetzen. Darüber hinaus empfiehlt Icomos, die weitgehend abgegangenen Pergolen im Eingangsvorplatz wiederherzustellen."

Man beachte: "... nicht durch völlig neue Elemente zu ersetzen." Ja, was denn nun? Icomos oder nicht Icomos? Der Landeskonservator, selbst stellvertretender Präsident der Icomos, der die dringenden, also praktisch seine eigenen Empfehlungen nicht befolgt? Der Bürger ist vollends verwirrt.

Werden Hinweise und Empfehlungen der Icomos, also der höchsten nationalen Denkmalinstitution, nur befolgt, wenn es gerade genehm ist? Wer folgt hier eigentlich wessen Rat? Nachdem die Sanierung der Gartenfassade nur mittels einer Rekonstruktion des Glaserkers oder der historischen Fassade mit Freitreppe abgeschlossen werden kann, plädiere ich für den Wiederaufbau der historischen Fassade. Das Schlossgebäude würde damit wieder zu einer einheitlichen Gesamtwirkung finden, da auch die östlichen Fassaden zum Ehrenhof bis auf die untergeordnete Treppenhausfassade ebenfalls diese Fassung tragen.

Da der Glaserker kein Zeugnis des Kalten Krieges ist - entgegen der Behauptung des Landeskonservators entstand Max Tauts Entwurf im November 1960 und nicht nach dem Mauerbau im August 1961- ist der historischen Schicht aus dem Jahr 1889 der Vorzug zu geben. Unter Berücksichtigung der geänderten, heutigen Erschließungssituation des Schlossgebäudes ist der Wiederaufbau des Tautschen gläsernen Eingangsvorbaus im wahrsten Sinn des Wortes sinnlos.

Gastautor Gerhard Hoya ist Diplom-Ingenieur und Vorsitzender der Gesellschaft Historisches Berlin e. V.