Berliner Morgenpost, Samstag, 10. Januar 2009 von Isabell Jürgens

Erst im März wird das Neue Museum auf der Berliner Museumsinsel eröffnet - doch Morgenpost Online hat schon erste Fotos vom Innern des restaurierten Baus. Die Bauarbeiten sind fast abgeschlossen, was nicht leicht zu erkennen ist. Das aber ist gewollt - und ruft erneut Kritiker auf den Plan. Sie wollen nun den Petitionsausschuss des Bundestags anrufen.

Kaum sind die Gerüste abgebaut, sorgt die frisch sanierte Fassade des Neuen Museums auf der Museumsinsel für Empörung. Ende dieses Monats werden nach fünfjähriger Bauzeit die Arbeiten am und im Gebäude beendet. Während das Innere noch bis zu den Tagen der Offenen Tür vom 6. bis 8. März nur geladenen Gästen und den Bauleuten zugänglich ist, können Passanten schon heute das Äußere in Augenschein nehmen. „Bleibt das so?" fragt ein älterer Herr beim Blick über den Bauzaun. „Da fehlt doch in vielen Bereichen noch der Putz."

Ohne Zweifel, was da unter den Bauplanen ans Tageslicht gekommen ist, schafft Diskussionen. Allen voran die Gesellschaft Historisches Berlin (GHB) kritisiert, dass das Haus vorsätzlich eine Ruine bleibt. Statt den schadhaften Putz zu erneuern, würden Putzbrocken und -flächen wie Inseln auf der sonst rohen Ziegelwand konserviert. Der um Weihnachten aufgekeimten Hoffnung, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) werde den Außenputz noch einmal überarbeiten, erteilt Sprecherin Stefanie Heinlein eine klare Absage: „Die Arbeiten an den Fassaden des Neuen Museums sind abgeschlossen."

Die GHB will das nicht hinnehmen. „Der soeben fertig gestellte Flickenteppich des ruinenhaften Außenputzes muss mit einem Neuputz versehen werden", verlangt Gisela Wetzel, Architektin und Mitglied der Gesellschaft. Die Architektin hat eine Fotodokumentation über den jetzigen Zustand der Stülerschen Putzfassaden an den Petitionsausschuss des Bundestages gesandt und die „Verschwendung öffentlicher Gelder" angeprangert. 233 Millionen Euro kosteten Renovierung und der teilweise Wiederaufbau des kriegsbeschädigten Meisterwerkes aus dem Jahr 1855 von Friedrich August Stüler.

Nur, wenn die beiden Obergeschosse der Stülerschen Westfassade am Kupfergraben und der Südfassade an der Bodestraße neu verputzt werden, könne der Stülersche Teil des Neuen Museums dem weltweit einmaligen Bauensemble auf der Museumsinsel „mit Respekt und Würde" zurückgegeben werden, so Wetzel.

Initiative will Geld für Putz sammeln
Die Kosten für diese Arbeiten schätzt sie auf rund 120.000 Euro. „Und wenn der Bund das Geld dafür nicht geben will, werden wir es eben über Bürgerspenden zur Verfügung stellen", sagt die Architektin kämpferisch - wohl wissend, dass es beim Fassadenstreit nicht ums Geld, sondern um eine grundsätzliche Entscheidung geht, wie das Unesco-Weltkulturerbe 70 Jahre nach seiner Zerstörung wieder als Museum der Ägyptologie sowie der Vor- und Frühgeschichte nutzbar gemacht werden kann.

Das, da sind sich sowohl die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, der Denkmalschutz, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sowie das Bundesamt für Bauordnung und Raumwesen einig, gehe nur, wenn zugleich die historische Bausubstanz der Ruine gesichert wird. Neu und Alt sollen dabei sichtbar bleiben. Architekt David Chipperfield schaffe in der Verbindung der modernen Ergänzungen und der historischen Rekonstruktion eine „Harmonie der Widersprüche", lobte der Präsident des Bundesamtes, Florian Mausbach, gestern nach einem Rundgang explizit das Sanierungskonzept.

Das Gebäude als Ausstellungsstück
Das Museumsgebäude selbst soll nach diesem Prinzip zum Ausstellungsstück werden. „Auf einzigartige Weise wird das Haus selbst auch zu einem Exponat, das dem Besucher deutlich zu erkennen gibt, welche Bausubstanz aus der Gründungszeit stammt und welche Ergänzungen durch die Kriegs- und Witterungsschäden nötig waren", heißt es dazu auf der Internetseite der Staatlichen Museen zu Berlin.

Die Gesellschaft Historisches Berlin kritisiert, dass der aktuelle „Ruinen-Look" mit der „historischen Ehrlichkeit" nicht viel zu tun hat. „Willkürlich wurden große Mauerflächen am Altputz doch neu verputzt, während daneben andere große Mauerflächen nicht verputzt werden dürfen, sondern mit einem Farbanstrich überstrichen wurden, der Putz vortäuschen soll", sagt Gisela Wetzel.

"Das ist ein Flickenteppich"
Die Arbeiten an der im Zweiten Weltkrieg zu 70 Prozent zerstörten Kriegsruine sind nahezu abgeschlossen. Kein Wunder, dass das Interesse der Öffentlichkeit groß ist, auch das Innere der mit Steuergeld finanzierten Baustelle in Augenschein zu nehmen. Vor knapp anderthalb Jahren nutzten gut 15.000 Besucher die Chance, sich beim Richtfest im Gebäude umzusehen. Das Sanierungskonzept, das Chipperfield den Ruf eines „Ruinen-Romantikers" eingetragen hat, setzt sich auch im Inneren fort: „Ich will die Schäden nicht verdecken, die Verluste sichtbar lassen und, wo es möglich ist, behutsam ergänzen", sagte er.

Doch die Öffentlichkeit muss sich noch bis Anfang März gedulden. Kleine ausgewählte Gruppen werden indes bereits durch das Gebäude geführt - wie etwa die Mitglieder der Baukammer Berlin am Freitag oder des Architekten- und Ingenieurvereins zu Berlin (AIV) gestern. „Wie auch das Äußere, ist auch das Innere ein Flickenteppich", sagt Architekt und GHB-Mitglied Bernd Wendland, der an einem Rundgang teilnahm. Die endgültige Beurteilung, ob das Konzept der Restaurierung aufgegangen ist, wird wohl erst im Herbst möglich sein. Dann werden die Exponate an ihrem Platz stehen.