Berliner Morgenpost

Mittwoch, 7. September 2011  - Von Katrin Lange

Streit um Taut-Fassade: Baulücke bleibt hinter Gerüst versteckt

Noch ist das Jagdschloss Glienicke teilweise hinter Planen und Bauzäunen versteckt. In zwei Wochen fällt nach fast sechsjährigem Wiederaufbau das Gerüst. Das versicherte Architektin Christina Petersen bei einem Rundgang über das Gelände. Der Südflügel war bei einem Brand im Jahre 2003 fast vollständig zerstört worden. Daraufhin wurde das Jagdschloss saniert und rekonstruiert.

 

Ein kleines Bauteil bleibt allerdings weiterhin eingerüstet: Für den Wiederaufbau des Glaserkers von Max Taut in der historischen Gartenfassade gilt noch immer ein Baustopp, den der Bezirk Steglitz-Zehlendorf ausgelöst hat. Das Bauamt hat die Genehmigung für die Rekonstruktion der Taut-Fassade aus den 60er-Jahren widerrufen und sich an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gewandt. "Wir prüfen jetzt, inwieweit das Schreiben planungsrechtliche Relevanz besitzt", sagt Sprecher Mathias Gille.

Architektin Christina Petersen, die vom Land mit der Sanierung des Jagdschlosses beauftragt wurde, ist eine Verfechterin der historischen Fassade von Albert Geyer. Der Architekt hatte das heute mehr als 300 Jahre alte und mehrfach erweiterte Jagdschloss 1880 aufstocken und einen Turm anbauen lassen. Als das Schloss vor 50 Jahren als sozialpädagogische Fortbildungsstätte gebraucht wurde, bekam Max Taut den Auftrag, Seminarräume, Hörsäle und Aufenthaltsbereiche zu gestalten. In diesem Zuge wurde der Glaserker eingebaut. Bei den Sanierungsarbeiten nach dem Brand stellte sich heraus, dass die Glasfront so marode ist, dass sie abgerissen und neu aufgebaut werden muss. Das fachte die Debatte an, ob jetzt Taut oder die historische Fassade aus Sicht des Denkmalschutzes erhaltenswert seien.

Christina Petersen plädiert für die historischen Bezüge im Lennéschen Garten mit Springbrunnen, Freitreppe und Geyerscher Fassade und damit für die Wiederherstellung eines in sich geschlossenen Ensembles. Nach einer bislang 20-monatigen Debatte über den Taut-Erker ist sie dennoch jetzt soweit, zu sagen. "Es gibt keine Patentlösung". Für sie sei nur eins wichtig: Wenn das Taut-Erbe wieder geheilt werden soll, dann in seiner ganzen Konsequenz. Es sei nicht im Sinne des Architekten, nur den Glaserker in der Fassade als Solitär stehen zu lassen. "Dann müssen auch die anderen Taut-Bauten, wie die Pergola, die Turnhalle und das Wohnhaus, saniert werden", sagt Christina Petersen.

Das sieht auch Architekt Georg Wasmuth so, der allerdings ansonsten wie Landeskonservator Jörg Haspel die Gegenposition vertritt. Konzeptionell sei es richtig, alle Bauten von Taut wiederherzustellen, sagt Wasmuth. Dennoch sei das nicht Bestandteil des Kompromisses, der vor dem Start der Sanierung mit Nutzern, Architekten und Denkmalpflege gefunden wurde. Darin habe man sich nur auf den Wiederaufbau des Glaserkers von Taut geeinigt. Er sehe die Entscheidung aus denkmalpflegerischer und nicht aus ästhetischer Sicht, sagt Wasmuth. Der radikale Umbau von Max Taut so kurz nach dem Mauerbau sei baugeschichtlich wichtig und daher erhaltenswert.

Uwe Lehmann-Brauns (CDU), Vizepräsident des Abgeordnetenhauses, hat die Hoffnung auf die historische Fassade von Albert Geyer noch nicht aufgegeben. Da der Glaserker ohnehin abgerissen sei, habe der Wiederaufbau nichts mehr mit denkmalpflegerischem Erhalt zu tun, argumentiert Lehmann-Brauns. Auch die Gesellschaft Historisches Berlin fordert das Landesdenkmalamt auf, seine Entscheidung für den Taut-Glaserker noch einmal zu überarbeiten und der Fassadengestaltung aus dem 19. Jahrhundert den Vorzug zu geben. Das letzte Wort hat nun als Bauherrin die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.