Tagesspiegel, 21. März 2012 von Markus Langenstrass

Baustopp am Jagdschloss aufgehoben

Seit langem wird um Fassade in Glienicke gestritten Gutachten sagt: Bezirk muss Taut-Erker sanieren.

„Die Holzköpfe haben sich durchgesetzt." Norbert Schmidt (CDU), Stadtrat für Stadtentwicklung in Steglitz-Zehlendorf, ist sauer: vor allem auf den Chef des Landesdenkmalamtes, Jörg Haspel, und auf den Senat. Sie haben schon lange beschlossen, dass am Jagdschloss Glienicke der 60er-Jahre-Anbau aus Glas und Stahl von Architekt Max Taut wiederentstehen soll. Der Bezirk war dagegen. „Wir wollten uns nicht an dieser schändlichen Tat beteiligen", sagt Schmidt. Deshalb hatte er auf ein Rechtsgutachten auf Bezirksebene gehofft. Es sollte klären, ob der Bezirk sich weigern kann, die Bauaufträge zu vergeben. Das Ergebnis wurde am Dienstag in einer Bezirksamtssitzung bekannt gegeben: Steglitz-Zehlendorf muss dafür sorgen, dass der 60er-Jahre-Erker rekonstruiert wird.
Am Jagdschloss wird somit bald wieder gebaut – wann, ist aber unklar.

Gestritten wird seit vielen Monaten und auch über die Grenzen von Wannsee hinaus. Ginge es nach dem Bezirk, wären Fassade und eine Freitreppe von Hofbaumeister Albert Geyer aus dem 19. Jahrhundert wiederaufgebaut worden. Doch für den Anbau von Taut gibt es bereits eine Baugenehmigung, seit sich Schmidts Vorgänger 2011 mit dem Denkmalamt auf die Rekonstruktion geeinigt hatte. Als Schmidt die Geschäfte im August übernahm, kündigte er die Einigung auf – und der Bezirk verhängte einen Baustopp.

Spaziergänger starren seitdem auf eine große Plastikplane an der Fassade, dahinter klafft ein großes Loch. Ausflügler sind so langsam genervt. „Das gibt's nicht: Die bauen ja immer noch!", sagt Volker Riede aus Zehlendorf, der mit dem Fahrrad angehalten hat. „Das sollte doch schon vor einem Jahr fertig sein."

Dort, wo seit Monaten die weiße Plane hängt, stand einst der Taut-Erker, bis er durch die Folgen eines Brandes im Jahr 2003 so stark beschädigt wurde, dass er abgebaut werden musste. „Auch die Taut-Variante muss komplett neu gebaut werden", sagt Schmidt. „Man hätte nichts Denkmalgeschützes abreißen müssen, um die historische Fassade wieder aufzubauen." Aus Sicht des Denkmalschutzes geht das aber nicht: Tauts Fassade ist Teil des Unesco-Weltkulturerbes Glienicke und sei ein Symbol für die Zeit des kalten Krieges. Die Mauer verlief direkt hinter dem Jagdschloss.

Die beauftragte Architektin Christina Petersen lässt dieses Argument nicht gelten: Wenn sich die Bedingungen ändern, könne in Ausnahmefällen auch der Bau geändert werden. Dieser Spielraum sei in der Unesco-Charta enthalten. Den langen Stillstand an der Baustelle hält sie für unerträglich. Die Fassade müsse jetzt geschlossen werden. „Wenn wir jetzt loslegen, wäre das Schloss im Herbst bezugsfertig", sagt Petersen.

Darauf hofft auch die Senatsbildungsverwaltung. Sie ist Bauherrin, weil sie im Jagdschloss eine sozialpädagogische Bildungsstätte betreibt. Dauernd habe man dort Seminare absagen müssen, weil Räume ohne Fassade nicht nutzbar seien, sagt ein Sprecher der Bildungsverwaltung. „Jeden Tag entstehen dadurch Kosten." Schadensersatzforderungen an den Bezirk seien geprüft worden. Sie sollten jetzt aber noch einmal überdacht werden. „Wir freuen uns vor allem über ein absehbares Ende", sagt der Sprecher.

Die Vergabe der Bauaufträge werde schnell wieder aufgenommen, sagt Bezirksstadtrat Michael Karnetzki (SPD). Nach der Vergabe werde es noch zehn bis zwölf Wochen dauern, bis der Taut-Erker wieder aufgebaut sei. Stadtrat Norbert Schmidt dagegen fühlt sich im Stich gelassen. Im Senat habe man ihm auf die Schulter geklopft und gesagt: „Bleib' hart in dieser Frage". Aber kaum einer habe gegen den Denkmalchef Position bezogen. Sogar der Regierende Bürgermeister hätte lieber die historische Fassade gesehen, habe sich aber nicht dafür eingesetzt.

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