Berliner Zeitung vom 10.10.2018 - von Maritta Adam-Tkalec

Sie wollen einen auswärtigen Gast zum ältesten Platz Berlins führen, angelegt im 13. Jahrhundert, also zur Zeit der Stadtgründung? Diese Besichtigung wird Erstaunen auslösen, wenn nicht gar Entsetzen. Denn der Spaziergang führt zu der riesigen Asphaltfläche zwischen Rotem Rathaus, Neuem Stadthaus und Ephraim-Palais. Ein gruseliger Ort voller Verkehr, Lärm und Schmutz.

Doch eine dramatische Änderung ist beschlossen, es wird ein neues Stadtquartier in die alte Mitte Berlins gebaut, genau dort, wo einst gleich neben dem Mühlen- (Molken-) damm auf dem Olde Markt die junge Handelsstadt Berlin aufblühte. Olde Markt, Alter Markt, so hieß der Platz nämlich anfangs – bis es an der Marienkirche den Neuen Markt gab. Auch der ist im Stadtbild nicht mehr erkennbar, getilgt von Krieg und sozialistischer Umgestaltung.

 

Das neue Stück Stadt
Die große Frage ist nun: Wie soll dieses neue Stück Stadt im alten Stadtraum aussehen? Wie kann das Viertel für viele Menschen attraktiv sein und zugleich ein angenehmer, bezahlbarer Wohnort für normale Leute? Fünf Tage lang ist die Öffentlichkeit eingeladen, sich an der Debatte zu beteiligen, bevor die Planungen in die letzte Runde gehen. Das Forum Stadtbild Berlin e. V. hat in Kooperation mit dem Landesdenkmalamt die Ausstellung „Molkenmarkt und Klosterviertel – ein lebenswerter Ort?“ in der Parochialkirche an der Klosterstraße organisiert.

An diesem Mittwoch geht es mit einem hochkarätigen, kompaktem, vielfältigen Programm los: 14 Uhr spricht die SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl. 16 Uhr geht es mit Johannes Wien von der Stiftung Humboldt Forum auf den „Archäologischen Pfad – im Klosterviertel und auf der Spreeinsel“. Um 17 Uhr berichtet Michael Malliaris, Projektleiter der archäologischen Grabungen am Molkenmarkt, um 18 Uhr beginnt die öffentliche Diskussion über die „Gestaltung der Historischen Mitte am Beispiel der geplanten Bebauung am Molkenmarkt.

Ein lebendiger, urbaner Ort
An den folgenden Tagen geht es spannend weiter: Wie wird man modern bauen am historischen Ort? Wie können die Verkehrsströme durch die südliche Altstadt gelenkt werden? Die Organisatoren vom Forum Stadtbild Berlin e.V. haben Vorstellungen vom künftigen Aussehen des heutigen Un-Ortes: Die historische dreieckige Platzform soll wieder erkennbar werden, ein lebendiger, urbaner Ort entstehen.

Die zur Bebauung vorgesehenen Grundtücke befinden sich überwiegend in öffentlichem Besitz – für die Stadt Berlin resultieren daraus enorme Gestaltungsmöglichkeiten, aber auch große Verantwortung. Um eine vielfältige Bebauung zu sichern, war ursprünglich die Parzellierung der öffentlichen Grundstücke vorgesehen und deren Verkauf an private Bauinteressierte, die dann mit eigenen Architekten viel Unterschiedliches errichten sollten. Der Erlös sollte die notwendige Infrastruktur – Straßenverlegung, Straßenbahnbau, etc. finanzieren. Die Idee aus Zeiten knapper Kassen ist angesichts der guten Finanzlage der Stadt passé.

Bürger können mitreden
Wie nun aber städtische Wohnungsbaugesellschaften ein kleinteiliges, vielfältiges Quartier gestalten werden, blieb bisher unbekannt. Der Vorteil: Jetzt können Bürger mitreden. Die Ausstellung in der Parochialkirche zeigt Vorstellungen, Beispiele, Entwürfe. Sie gehen von attraktiver Gestaltung auf kleinen Grundstücken aus. Von den Veranstaltern favorisiert sind genossenschaftliche Organisationsformen.

Klar ist jedenfalls: Am Molkenmarkt findet eine Art Probelauf für das Areal zwischen Rotem Rathaus, Marienkirche und Fernsehturm statt. Inspiration erfährt die Debatte durch den durch bürgerschaftliches Engagement wieder hergestellten Neumarkt in Dresden sowie die soeben eröffnete neue Frankfurter Altstadt mit teils rekonstruierten alten Gebäuden, teils eingefügten modernen. Man hört viel Begeisterung.

Das Programm für die fünf Tage findet sich unter www.molkenmarkt-berlin.de/Veranstaltungen. Unten auf der Seite auf „Datei herunterladen“ drücken, über die Pressemitteilung hinwegscrollen – dann findet sich die Liste.

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