Die Mühlendammbrücke ist marode und soll bald durch eine neue Konstruktion ersetzt werden. Gegen die Pläne regt sich Widerstand.
Berliner Morgenpost vom 08.03.2019 - von Christian Latz

Die Mühlendammbrücke in Mitte trägt jeden Tag 72.000 Fahrzeuge
Laut brausen die Autos über die Mühlendammbrücke an der Fischerinsel. Mitten in Berlins Mitte schlagen hier drei Fahrstreifen pro Richtung eine Schneise in die Stadt und machen Berlins historisches Zentrum zu einem unwirtlichen Ort. So sehen es 14 Vereine und Initiativen, die sich zur „Allianz für einen neuen Mühlendamm“ zusammengeschlossen haben.

Sie haben Angst, dass die Brücke auch beim Neubau ihre enormen Ausmaße für den Autoverkehr behält. In einem offenen Brief fordern sie daher Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) und Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) auf, die aktuellen Planungen für den Brückenneubau zu stoppen.

Vorwurf: Trendwende in der Verkehrspolitik nicht berücksichtigt
„Die Planung basiert auf Verkehrserhebungen der 1990er Jahre und berücksichtigt damit nicht die gegenwärtige Trendwende in der Verkehrspolitik“, heißt es in dem Forderungsschreiben, dass der Berliner Morgenpost vorliegt. Dadurch werde „für die nächsten 100 Jahre ein Bauwerk errichtet, das nicht der Politik der Landesregierung und schon gar nicht dem Bürgerwillen entspricht“. Damit nicht „mit Planungen der Vergangenheit die Zukunft verbaut wird“, sollten die Vorbereitungen des Realisierungswettbewerbs gestoppt werden.

entwurf muehlendammbrueckeAbb. links: Entwurf für den Neubau der Mühlendammbrücke. Foto: Allianz für einen neuen Mühlendamm
Zu den Unterzeichnern gehört eine breite Liste von Vereinen und Initiativen. Darunter der Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin, die Gesellschaft Historisches Berlin und die Landesgeschichtliche Vereinigung für die Mark Brandenburg. Aber auch Verkehrsinitiativen wie der Berliner Fahrgastverband IGEB und die Fußgängervereinigung Fuss e.V.

Sie kritisieren, dass die Brücke auch nach dem Neubau neben Tram- und Radstrecken drei Fahrspuren für den Autoverkehr haben soll, die mitten durch den historischen Stadtkern führen. „Wir haben aus der Verwaltung erfahren, dass man konkret an einer sehr breiten Brücke plant“, sagt Gerhard Hoya, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft Historisches Berlin. Für ihn und die anderen Unterzeichner ein Unding. Die Aufenthaltsqualität nehme mit der Breite und der Verkehrsmenge einer Straße ab. Schon jetzt herrsche am Mühlendamm „ein Höllenlärm“.

Reduzierung des Autoverkehrs als Ziel
Die Allianz plädiert für zwei Spuren pro Richtung. Hoya ist überzeugt, dass dies reiche, wie die aktuelle Fahrbahnverengung wegen der archäologischen Arbeiten am Molkenmarkt zeigten. „Da staut es sich zwar, aber das ist erträglich.“ Ohnehin sei eine Reduzierung des Autoverkehrs an der Stelle ein Ziel, um das Gebiet attraktiver zu machen.

Das Gebiet zwischen Molkenmarkt und Petriplatz bildet den Kern des historischen Berlins. Hier entwickelten sich die zunächst getrennten Orte Berlin sowie auf der Fischerinsel Cölln. Der Mühlendamm war das wichtigste Verbindungsglied zwischen ihnen. Heute gleicht der einstige Stadtkern einer einzigen Schnellstraße. Städtisches Leben gibt es zwischen Molkenmarkt und Petriplatz kaum. Schon lange fordern Initiativen, das historische Zentrum wieder zu beleben. Vor wenigen Tagen stellte dazu etwa die Stiftung Zukunft Berlin ein Grundkonzept vor. Der Senat plant unterdessen den Neubau des Quartiers am Molkenmarkt und die damit verbundene Verlegung der Grunerstraße.

Brücke mit Häusern bebauen
Die neue Allianz fordert weitere Maßnahmen. Sie plädiert dafür, die neue Mühlendammbrücke mit Häusern zu bebauen. „Die Brücke war schon früher bebaut“, erklärt Hoya. Zudem habe es eine weitere Brücke gegeben, die vom historischen Fischmarkt auf die Mühlendammbrücke führte. Beides will die Allianz neu errichten lassen. „Das würde der Gegend gut tun“, sagt Hoya. Auf der Brücke könnten Geschäfte und Cafés einziehen. Zudem würde die Fischerbrücke zu einer besseren Anbindung zur aktuell stark abgeschnittenen Gegend um die Wallstraße führen. Ihre Ideen sieht Hoya als „Stadtreperatur zur Stärkung der Urbanität“. Die Vereine hoffen, mit dem Brief eine neue Debatte anzustoßen.

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