Weg, Stand und Ziele der Arbeit der Gesellschaft Historisches Berlin e.V. heute
Beginn, Chancen und Ziele
Die Wende 1989 / 90, das Ende der DDR, die friedliche Wiedervereinigung der getrennten Teile Deutschlands, die den Restbestand des Deutschen Reiches bildeten, erbrachte völlig unerwartet, unerhörte, bis dahin nicht denkbare Möglichkeiten für die Stadt Berlin, die so schwer unter dem Krieg gelitten hat:
- Die Rückgewinnung der Mitte der Stadt, durch Stadt-Reparatur zur Wiederherstellung verloren gegangener wichtiger Gebäuden und Stadträumen, z.B.: - Pariser Platz, Berliner Schloss, Museumsinsel -
- Wiederbelebung des kollektiven Gedächtnisses, des virtuellen Baubestandes,
- Rückgewinnung und Stärkung der Identität der Stadt und ihrer Bürger durch die Wiedergewinnung historischer Bauten und Strukturen
Stand und Widerstände
Der Denkmalschutz orientiert sich ab 1990 neu. Er reduziert sich auf die Denkmalpflege von Resten, „Fragmenten", Überbleibseln. Die 1986 beschlossene und begonnene DDR-Rekonstruktion des Neuen Museums wird ab 1990 „abgewickelt", das heißt verschrottet, die Planung in den Container, Mitarbeiter entlassen, Arbeiten und Aufträge storniert.
„Für die Treppenhallen ist wegen der unwiederholbaren künstlerisch-handschriftlichen Qualität ihrer Teile eine Rekonstruktion auszuschließen." heißt es 1994 lapidar in dem Senats-Gutachten: „Das Neue Museum in Berlin. Ein denkmalpflegerisches Plädoyer zur ergänzenden Wiederherstellung." Die Idee, Zweck und Sinn des Originals werden unwichtig bis hinderlich. Nur noch die historische Substanz, das originale Material ist nun das Denkmal und durch „Konserviert" zu erhalten.
Das Ergebnis ist nackter, platter Materialismus und zugleich das Todesurteil für Geist und Idee des historischen Gebäudes und seiner Schöpfer.
- Ornament ist Verbrechen - was weg ist, ist weg - Rekonstruktion ist verboten - so lauten die drei Maximen unserer Gegner, Museumsleute als Bauherren, Architekten, Denkmalpfleger und -räte, ein traulicher Verein von Feinden der Geschichte, ihrer Ideale und von deren Zeugnissen und aller derer, die eben diese lieben, achten und ehren.
Am Neuen Museum wird gleichsam eine ästhetische Euthanasie exekutiert, gegen alle Widerstände und Wünsche der Bürger und Kunstfreunde, was zählen da schon 14145 Petenten aus aller Welt?
Die Denkmuster unserer amtlichen Kunstbestatter manifestieren sich in einer Resolution von 350 Landesdenkmalpflegern und Landesarchäologen vom 12. Juni 2007 in Esslingen für die ergänzende Wiederherstellung des Neuen Museums in Berlin:
„Im Rahmen der gemeinsamen Jahrestagung der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger und des Verbandes der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland haben die Teilnehmer mit großem Interesse das Projekt der ergänzenden Wiederherstellung des Neuen Museums ausführlich vorgestellt bekommen. Sie haben die Konzepte erörtert und stimmen den Maßnahmen und den fachlichen Kriterien , die ihr Fundament bilden, ausdrücklich zu: Dies gilt für den konservatorischen Umgang mit dem reduzierten Baudenkmal und dem immer noch reichen Bestand der historischen Innenausstattung sowie insbesondere für den Entschluss das ausgebrannte und leergeräumte Treppenhaus zwar typologisch, aber nicht rekonstruierend zu integrieren.
In der angemessenen konservierenden und kreativen Schließung der Wunden beweist sich die unverbrauchte Gültigkeit denkmalpflegerischer Prinzipien an einem nicht zuletzt durch den Welterbestatus herausgehobenen Objekt von dem die versammelten Fachkolleginnen und -kollegen eine prägende Wirkung auf die moderne Denkmalpflege erwarten. Die Versammelten ermutigen alle am Projekt Beteiligten, insbesondere die politischen Entscheidungsträger, aber auch Bauherren, Nutzer, Architekten und Konservatoren den eingeschlagenen Weg öffentlich zu vermitteln und konsequent zu Ende zu gehen."
Diese Tagung stand unter dem Motto „das Denkmal als Fragment, das Fragment als Denkmal". Das ist aus deutschen Landen und den dort verteilten Elfenbeintürmen frisch auf den Tisch. Frucht abartigen Denkens einer „Pflege"-Branche, die sich so anmaßt, über das Leben des zu pflegenden Patienten zu entscheiden und ihm durch „kreative Schließung der Wunden" z.B. durch Falsifikate a la Chipperfield, dem extra eingeflogenen Starmediziner, ein unseliges, bitteres Ende zu bereiten. - eine Verhöhnung der Opfer und der UNESCO. Auf der Basis der genannten drei Maximen ist das die Kriegserklärung gegen die Zeugnisse der Vergangenheit schlechthin, ausgerechnet von denen, die diese bewahren und pflegen sollen. - Böcke als Gärtner! - hier gegen die neuere klassische Architektur.
Die genannte „kreative Schließung der Wunden" ist nichts weiter - hier schamhaft verschwiegen - als die zielstrebige Fälschung der originalen Bauidee, der originalen Planung und der authentischen Ausführung; - alles ohne Not, sondern bewusst und mit hoher Energie und Absicht. Letztlich ist das Verrat an der Baukunst und Untreue gegenüber dem Kulturerbe und unserer Tradition, tatsächlich eine neue Form von Lynchjustiz, wahrlich kreativ. Im Fall des Neuen Museums wird eine Ikone des preußischen, idealistischen-romantischen Klassizismus förmlich ästhetisch hingerichtet. - Wir sehen:
- Die Misshandlung der Baukunst und der Baugeschichte durch Landesdenkmal-Amt und -Rat, durch den Bauherrn und die Architekten.
- Planungsbüros und Baustelle werden zu Fälscherwerkstätten.
- Seiner künstlerischen Aussage und Harmonie beraubt ist das Neue Museum ein Spottgebilde seiner selbst, eine Schande für alle Beteiligten und das ganze Land!
Der Kulturkampf, genauer der Kampf gegen unsere eigene - beste - Kultur läuft auf vielen Ebenen unbeirrt weiter, in Politik und Presse. Franziska Eichstädt-Bohlig schreibt im Tagesspiegel am 6.12.2008 zum Schloss unter anderem: „Das Schloss bricht mit der Baukultur des Bundes!" - kaum; denn das Schloss ist noch gar nicht da und tut sowieso nichts, außer Gefallen oder Missfallen zu finden. Der Bund allenfalls bricht mit seiner Baukultur. Aber den eigentlichen Kulturbruch betreibt ja längst die von ihr so heiß geliebte „Moderne" selbst, nun schon seit über 100 Jahren. So alt sind auch die drei genannten Maximen und gehören entsorgt. Der Bund kehrt hier nur zur Vernunft zurück. Sie schreibt weiter: „Mit dem Votum für eine Schlossreplik im Herzen Berlins hat sich der Bundestag 2002 von dieser Tradition der weltoffenen Moderne abgewandt und dem zeitgenössischen Bauen sein Misstrauen ausgesprochen. Eben noch glücklich über die architektonisch mutige Berliner Republik, ist die Mehrheit im Bundestag nun geschrieben von der Sehnsucht nach Geborgenheit in preußisch barocker Baukultur. Nun siegt das Retortenschloss auch über das Humboldt-Forum". Hier hat die Verfasserin Sprachprobleme. Eine Replik ist eine Gegenrede oder bei einem Kunstwerk dessen Wiederholung durch den Urheber selbst! Geht hier nicht. Auch das Bild vom Retortenschloss stimmt nicht. Die Wiederholung (von Teilen) des Schlosses ist mit Chemie nicht zu machen; sie wird, wie alle Bauwerke, nach Entwurfs- und Ausführungsplänen durchgeführt, ob diese nun 300 oder 3 Jahre oder 3 Tage alt sind. Die genannten Begriffe dienen nur zur Herabsetzung, zum Miesmachen der Sache selbst und ihrer Vertreter. Der Bundestag hat sich quer durch die Parteien für die Kontinuität der Geschichte und ihrer - in diesem Falle auch schöner, beeindruckender - Zeugnisse ausgesprochen. Es ging ihm nicht um Geborgenheit, das ist lächerlich. Es ging ihm um Repräsentanz der Geschichte und um die Identität des Ortes und seines Erscheinungsbildes. In diesen Kategorien wollen und können die Modernisten nicht denken.
Sie schreibt weiter: „Die Diskussion aber, ob Deutschland gut beraten ist, wenn bedeutende Repräsentationsgebäude völlig aus unserer Zeit herausfallen, darf mit der Wettbewerbsentscheidung vom 28. November nicht beendet sein. Und es ist wichtig, dass sie nicht nur von Architekten und Denkmalpflegern geführt wird, sondern auch als politische Diskussion über unser nationales Verständnis von Kultur und staatlich-kultureller Selbstdarstellung." Nein, liebe Frau Eichstädt-Bohlig, dieses Schlossgebäude fällt nicht aus unserer Zeit heraus, nur weil es vorwiegend in seinem Äußeren an 300 Jahre Geschichte anknüpft und sie mit in die Zukunft. Diese politische Diskussion führen wir gerne, aber nicht, um den Wettbewerb aufzuhalten. Es wäre schön, wenn Sie endlich bereit wären, die immerhin demokratische Entscheidung des Bundestages zu respektieren!
Mit Heinz Erhardt, dem unvergesslichen Komiker kündige ich jetzt „noch'n Gedicht" an, nämlich eins von Caroline Fetscher im Tagesspiegel vom 28.12.02, mit dem Titel „IN DER RETRO-REPUBLIK." Ihre Sichtweise gegenwärtiger Probleme ist schon bemerkenswert mit ihrem Panikorchester von Gedanken und z.T. vermeintlichen Erkenntnissen. Sie schreibt zum Beispiel „Ausgerechnet in einer Phase, die allein der weltweiten Krise wegen international orientierten Weitblick und couragierte Innovation erfordern würde, gewinnt hierzulande mehr und mehr nationale Rückbesinnung an Boden, ballt sich im Binnenraum der Gesellschaft ein biedermeierliches Ambiente zusammen, konstruieren wir uns eine Retro-Republik"
Das soll's wohl sein, dass wir uns mit fliegenden Fahnen dorthin begeben, wo es noch ungemütlicher ist, als in unserer eh' schon braven, kalten, Hausmoderne. Also ab in die globale Zukunft, die keine Vergangenheit hat oder kennt, aber viele Opfer fordert? Nein, was wir wollen ist geschichtliche Selbstvergewisserung, ist die historisch-kulturelle Neujustierung des Selbstbewusstseins der Bürger gegen die modernistische Fortschritts-Rattenfängerei auf Kosten der Werte der Tradition und gegen die Meinungsdiktatur, die überall in den Medien lauert. Die Bürger haben die Berieselung mit nationalem Selbsthass durch die Meinungsindustrie der Presse satt und wollen nicht mehr von Modernismen gegängelt werden. Die modernistische Weltbeglückerei wird immer unerträglicher. Frau Fetschers Denk- und Ausdrucksweise hat deutlich aggressive, auch totalitär anmutende, anklägerische Züge, die sich gegen selbst gebastelte Feindbilder richten, die eben gar nicht so existieren, wie sie es wohl gerne hätte.
Zum Abschluss seien hier einige von ihr verwendete Begriffe zitiert, die das illustrieren:
- die Retro-Republik - die Renaissance einer Hohenzollern-Residenz - vergangene Größe heraufbeschwören - eine rückwärtsgewandte Sehnsucht nach Repräsentation - Exponate aus dem kolonialen Beutefundus - das deutsche Rückwärts-Syndrom - regressive, nostalgische Retro-Fantasmen - die regressive Tendenz des Landes - Symptome wie die kollektive Hohenzollern-Fantasie - das ist in seinem Propaganda-Stil schon höchst aufschlussreich.
Was schließen wir aus all dem, womit müssen wir weiterhin rechnen? Wo und was sind unsere Stärken, Kräfte, Ideen, Zielvorstellungen und Rezepte gegen die oft hasserfüllten Anwürfe gegen die Werte unserer Kultur und Identität, die wir lieben? Unsere Reise in die Zukunft ist unerbittlich, diese kommt, ob wir wollen oder nicht
Was ist unser Reisegepäck? Wir haben unsere Prägungen, Lebenserfahrungen und unsere eigenen Köpfe zum Denken. Und wenn wir davon selbstbewusst Gebrauch machen können, werden wir uns weiterhin erfolgreich für unsere Ziele einsetzen: unsere Werte und unsere Haltung zu ihnen weiter zu tragen und da, wo sie uns verloren gegangen sind, wieder zu erkämpfen und neue zu gewinnen. Es geht nicht um Geschmäcker, wie uns die Modernisten immer einreden wollen, sondern um richtig oder falsch und es geht um das rechte Maß, „meden agan", - nichts im Übermaß - stand vor 2500 Jahren am Apollo-Tempel in Delphi und es geht darum, den Werten und besonderen Zeugnissen der Vergangenheit Zukunft zu geben!
Dazu wünsche ich uns allen für das kommende Jahr Gottvertrauen, gute Ideen, Kraft, Ausdauer, Erfolg und FREUDE.