März 2015 - von Gerhard Hoya

Berlin verfügt in seinem historischen Zentrum vor dem Rathaus über einen namenlosen großen Freiraum, der durch den Fernsehturm, das Schloß/Humboldtforum und die Marienkirche begrenzt wird.
Seit Jahrzehnten diente das Quartier als Versuchsfeld für stadtplanerische Experimente. Das Ergebnis ist heute ein namenloser, grenzenloser Freiraum ohne Identität mit Nutzungskonflikten.
Die Moderne hat es nicht geschafft, an dieser herausragenden Stelle ein urbanes Quartier zu etablieren. Auch die Lösungsansätze der Stadtplaner und Architekten unserer Tage lassen nichts Gutes erahnen.
Die Antwort auf die Frage, wie der frühere Altstadtkern wieder an städtebaulicher Qualität gewinnen kann, lautet daher: die Rekonstruktion des historischen Stadtgrundrisses.

 

historische-mitte-01Der größte Teil dieses Raumes wird zurzeit von 2 U-Bahn-Baugruben und Baustellen-einrichtungen belegt. Das Marx-Engels-Denkmal wurde an einen Ersatzstandtort versetzt. Bis zur Beendigung der Infrastrukturmaßnahmen und der Fertigstellung des Schlosses/ Humboldtforums ist über die Gestaltung dieses Freiraumes zu befinden. Seit mehr als 5 Jahren wird über die zukünftige Nutzung und Gestaltung diskutiert. Bisherige Planungsideen fanden keine Zustimmung.

Bild 1: Freifläche vor dem Fernsehturm

Noch 2013 beauftragte das Abgeordnetenhaus die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung im Jahr 2015 einen städtebaulichen Wettbewerb durchzuführen. Zuvor solle in einem Dialogprozess die Stadtgesellschaft an der Diskussion beteiligt werden.

Im April 2014 berief die Senatsbaudirektorin ein aus 13 Mitgliedern bestehendes Kuratorium. In drei nichtöffentlichen Sitzungen wurden die Grundsätze erörtert. Im November 2014 erhielt das Büro Zebralog von der Senatsverwaltung den Auftrag zur Durchführung des Dialogprozesses. Grundsätze des geplanten Beteiligungsprozesses, die in einem nicht transparenten Verfahren erarbeitet wurden, stellte der Bausenator im Januar 2015 auf einer Pressekonferenz vor.

historische-mitte-02Bild 2: Grafik der Senatsverwaltung

Man darf gespannt sein, wie die interessierten Bürger endlich in den Beteiligungsprozess einbezogen werden.
In die zukünftige Gestaltung sollte die Geschichte des Ortes einfließen. Dazu sind dringend archäologische Grabungen notwendig. Ein noch zu errichtender archäologischer Pfad könnte den Berliner Bürgern und den Touristen einen guten Blick in die Geschichte des Ortes geben.
Um die funktionellen Mängel der ca. 25 Fußballfelder großen Freifläche zu beheben, sind neue Nutzungsmodelle zu erarbeiten.

Eine Rückbesinnung auf den Typus der europäischen Stadt mit seiner Mischung aus Bekenntnis zur Geschichte, sozialer Verantwortung und überschaubaren humanen Strukturen ist das Wesentlichste. Städtebau gründet auf historischem Wissen. Keine menschliche Kulturleistung ist so langlebig wie die Stadt.
Der langfristige Erfolg und die Alltagstauglichkeit bestehender großstädtebaulicher Gestaltung  im 19. und 18. Jahrhundert sollten Vorbild für den zukünftigen Städtebau sein.

Das Planen lebenswerter Stadträume umfasst städtebauliches Gestalten vom gesamtstädtischen Maßstab bis zum konkreten Stadtraum aus Straße, Platz, Block und Haus.
Die Wiedergewinnung von Stadtidentität kann erreicht werden durch eine Mischung von Gewerbe, kulturellen Einrichtungen und einem hohen Wohnanteil. Die breiten Durchgangsstraßen aus den 70er Jahren sind zurückzubauen, um eine verbesserte Aufenthaltsqualität zu schaffen. Dadurch erhält das Quartier ein Stück Identität und Attraktivität zurück.
Wesentliche Voraussetzung für die Planung eines urbanen Stadtquartiers ist die Wiederherstellung des überlieferten Stadtkörpers.

Gestaltungsvorschlag der GHB
Die Freifläche um die Marienkirche sollte nach historischem Vorbild gegliedert werden, d.h. Wiederherstellung von Bischofstr. und Hoher Steinweg.

Die Gesellschaft Historisches Berlin schlägt vor, den Stadtkern Alt-Berlin  unter Wiederherstellung des historischen Stadtgrundrisses zu bebauen.

historische-mitte-04Im Planungsausschnitt Neuer Markt / Marienkichhof stellt die GHB eine Gestaltung in zeitgemäßer Architektur mit einem deutlichen gestalterischen Bezug zum gründerzeitlichen Vorbild vor.

Steuerung des städtebaulichen Erneuerungsprozesses
Für die baurechtliche Steuerung des gesamten städtebaulichen Erneuerungsprozesses sollte eine Sonderlösung gemäß Baugesetzbuch zu organisieren.

Ein städtebaulicher Rahmenplan ist ein informelles Planungsinstrument, um Entwicklungs-potentiale eines Stadtteils auszuloten und Perspektiven für dessen zukünftige Nutzung in groben Zügen darzustellen. Er ist nicht rechtsverbindlich und keinem standardisierten Verfahren unterworfen. Hinsichtlich des Planungsmaßstabes ordnet er sich zwischen dem Flächennutzungs- und Bebauungsplanung ein und wird so meist als Mittler eingesetzt. Die Planinhalte, bestehend aus Textteil und Planteil, dienen der vereinfachten Darstellung von zukünftigen städtebaulichen Planungs- und Entwicklungsmöglichkeiten.

Die Politiker sind nunmehr aufgefordert, den Entscheidungsprozess voranzutreiben.

Link zur Broschüre - Neuer Markt und Marenkirchhof

Aktuelle Pressestimme:
Brache zwischen Fernsehturm und Stadtschloss - Tagesspiegel vom 21.01.2015