Pressemitteilung der Allianz Berliner baukultureller Bürgervereine
Berlin, 10.06.2023

In Berlins historischer Mitte droht mit dem geplanten Erweiterungsbau der Komischen Oper eine schwerwiegende Bausünde. Die Pläne sind nicht im Sinne der hierfür gültigen Gestaltungsverordnung. Sie sollten im Interesse einer besseren Stadtbildverträglichkeit überarbeitet werden.

Die Allianz Berliner Bürgervereine ist ein Zusammenschluss baukulturell engagierter Berliner Bürgervereine, den Vereinen Berliner Historische Mitte, dem Bürgerforum Berlin, dem Forum Stadtbild Berlin, der Gesellschaft Historisches Berlin und dem Berliner Ortsverband von Stadtbild Deutschland. Wir vertreten zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, denen die baukulturelle Entwicklung Berlins eine wichtiges Anliegen ist. Zu bedeutenden Themen des Berliner Baugeschehens möchten wir mit gemeinsamer Stimme sprechen.
Die Allianz Berliner Bürgervereine hat sich nun mit einem Schreiben an den Regierenden Bürgermeister Berlins, Herrn Kai Wegner, gewandt, mit der Bitte, unsere vorgetragenen Argumente für eine Überarbeitung des geplanten Architekturentwurfs zum Erweiterungsbau der Komischen Oper an der Glinkastraße/Unter den Linden anzuhören. Unsere Hoffnung ist, dass es noch zu einer Überarbeitung des Entwurfs des Planungsbüros kadawittfeldarchitektur kommt, und Berlin so an diesem letzten freien Bauplatz im Denkmalbereich Unter den Linden einen würdigen und passenden Neubau erhält. Wir erinnern daran, dass die entscheidenden Verbesserungen, die der Entwurf zum Neubau der James-Simon-Galerie auf der Museumsinsel im Vergleich zu den ersten Visualisierungen 2007 erfahren hat, durch Proteste aus der Bürgerschaft veranlasst wurden.

Die bisher veröffentlichen Visualisierungen aus dem Architekturwettbewerb für die Erweiterung und Erneuerung der Komischen Oper des 1. Preisträgers Kadawittfeldarchitektur lassen befürchten, dass mit dem vorgesehenen Erweiterungsbau zur Glinkastraße an diesem sensiblen und wichtigen Ort im historischen Zentrum Berlins eine gravierende Bausünde entsteht. Der Entwurf zeigt einen Bruch mit der prägenden klassischen Baustilistik im Denkmalbereich Unter den Linden. Statt das an dieser Stelle bereits von Zerstörung, Fragmentierung und stildivergentem Wiederaufbau beeinträchtigte Stadtbild zu beruhigen und zu verbessern, wird der geplante Erweiterungsbau auf Grund seiner gestalterischen Unzulänglichkeiten zu einer weiteren Verschlechterung führen.
Der geplante Erweiterungsbau von Kadawittfeldarchitektur zeigt ein ungleichmäßiges, nur grob gegliedertes Fassadenbild. Die Berliner Traufhöhenlinie bei 22 m wird an der Seite zur Glinkastraße durch den mehrgeschossigen Stahl-Glas-Dachaufbau, der gemäß der Architekturzeichnung von 12 bis 26 m Höhe reicht, komplett überdeckt. Die Ausbildung eines übermächtigen optischen Schwerpunkts im oberen Gebäudeabschluss harmoniert nicht mit der traditionellen horizontalen Proportionierung der historischen Architektur in der Umgebung. Die rechteckigen, versetzt und geschossübergreifend angeordneten, teilweise vorspringenden Fassadenelemente des geplanten Erweiterungsbaus ergeben kein einheitliches, ruhiges Bild. Sie zeigen ganz unterschiedliche Oberflächen wie Stahlstreben und Metallgitter, Glasflächen, Keramik und Stein. Die Gebäudeseite zur Straße Unter den Linden weist durch den zurückgesetzten Glas-Stahl-Aufbau über dem fensterlosen, mit Metall-Mesh verkleideten Mittelteil eine ortsuntypische Stufenbildung auf, die das Gesamtbild erheblich stört.

In der 'Verordnung über die äußere Gestaltung baulicher Anlagen an der Straße Unter den Linden, auf der Museumsinsel und um den Gendarmenmarkt' aus dem Jahr 2009 heißt es hingegen: „Die Fassaden sind differenziert zu gliedern und zurückhaltend zu gestalten“; „Vollglasfassaden (…) sind ausgeschlossen. Die Fassaden sind in Stein, mit stumpfer Oberfläche oder Putz auszuführen“. „In den Obergeschossen sind durchgehende horizontale Fensterbänder unzulässig“. „Die Einteilung der Gebäude mit der Zonierung der Fassaden in Sockel, Mittelteil sowie Traufe und Dach leitet sich aus der historischen Bebauung ab“. Und einleitend: „Diese Verordnung soll sicherstellen, dass bei der Errichtung oder Änderung baulicher Anlagen im historischen Teil des Berliner Zentrums deren äußere Gestaltung der Bedeutung und Qualität dieses Ortes gerecht wird. Sie soll architektonische Qualität und Baukultur fördern und das Stadtbild an diesem herausragenden Ort pflegen und weiterentwickeln“.
Unseres Erachtens entspricht der Entwurf zum Erweiterungsbau der Komischen Oper, der an seiner Nordseite direkt an die Straße Unter den Linden grenzt, nicht der Intention der Gestaltungsverordnung.

Der Neubau sollte sich in diesem bedeutenden, von Sichtachsen geprägten, in Jahrhunderten gewachsenen Teil Berlins zurückhaltend und sensibel in den stadträumlich-baulichen Maßstab des Umfelds einfügen. Es wäre erforderlich, den Entwurf mit dem Ziel einer einheitlich ablesbaren Traufhöhenlinie und einer gleichmäßigen Gebäudetiefe zu überarbeiten. In Materialität, Proportionierung und Gliederung der Fassade müsste in angemessener Weise Bezug zu den hier erhaltenen Altbauten genommen werden. Die Bauaufgabe ließe dies zu.
Dieses Baufeld ist nun das letzte in prominenter Lage an der Straße Unter den Linden, das in absehbarer Zeit neu bebaut werden kann. Die Verantwortung, dieses auch mit einem angemessen gestalteten Haus zu bebauen, ist daher groß.

Allianz Berliner Bürgervereine:
Berliner Historische Mitte e.V.
Bürgerforum Berlin e.V.
Forum Stadtbild Berlin e.V.
Gesellschaft Historisches Berlin e.V.
Stadtbild Deutschland e.V. Ortsverband Berlin

Dr. Peter Dobrick, Frank-L.-Howley-Weg 22, 14167 Berlin
Gesellschaft Historisches Berlin e.V., Gerhard Hoya, Vorstandsvorsitzender