Betreff: Artikel „Alle dürfen Mitreden“ und „Wenige Anwohner, viele Planer – und ein dominanter Verein“ von Teresa Roelcke, Tagesspiegel vom 5.2.2022

Sehr geehrter Herr Casdorff,
sehr geehrter Herr di Lorenzo,


hiermit möchte ich mich über die oben genannten Artikel Ihrer Redakteurin Teresa Roelcke beschweren, die am 4.2. in Ihrer Zeitung erschienen sind. Ich leite den 2020 gegründeten Berliner Ortsverband des bundesweit tätigen Vereins Stadtbild Deutschland e.V., der sich ehrenamtlich für Baukultur und Denkmalschutz einsetzt. Zusammen mit drei weiteren Berliner Mitgliedern des Ortsverbands beteiligen wir uns seit mehr als einem Jahr an einzelnen Online-Werkstattterminen, meist nur einzeln oder zu zweit.

Am 3.2. nahm ich als registrierter Teilnehmer am Online-Werkstattverfahren der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen zum Molkenmarkt teil, so wie drei weitere Berliner Ortsverbandsmitglieder und ein auswärtiges Vereinsmitglied, das aus persönlichem Interesse dazugekommen war. Ohne eigene Wortmeldungen verfassten wir unabhängig voneinander einzelne Chatbeiträge, bei denen wir uns teilweise kritisch, jedoch zurückhaltend, sachlich und konstruktiv zu den Entwürfen der beiden Preisträger des städtebaulichen Wettbewerbs äußerten. Von den ca. 100 weiteren Teilnehmern der Online-Konferenz wurden zahlreiche weitere Chatbeiträge verfasst. Dies ist im Rahmen einer Bürgerbeteiligung zu einem Neubauprojekt absolut üblich und wurde von der Moderation deshalb auch nicht beanstandet.

Umso überraschter war ich, dass wir nun in Ihrer Zeitung von Frau Roelcke als „dominanter Verein“ negativ erwähnt, ja diffamiert werden. So schreibt die Autorin: „Währenddessen nutzten einige Teilnehmende den Chat, um ihre Position zu den beiden Entwürfen mitzuteilen.“ - wie alle anderen Teilnehmenden auch – was sonst wäre denn der Sinn eines Partizipationsverfahrens? „Dabei dominierten Aktivisten aus dem Umfeld des konservativen Vereins Stadtbild Deutschland e.V., die einmütig versuchten, gegen den besonders an Klimabelangen orientierten Entwurf des Planungsteams cka Stimmung zu machen.“ Diese Aussagen empfinde ich als diffamierend. Abgesehen von der abwertenden Bezeichnung „Aktivisten“ für an Baukultur interessierte Bürger, die ruhig und sachlich und ausschließlich schriftlich an einem Online-Partizipationsverfahren teilnehmen, würde ich gerne wissen, inwiefern wir versucht hätten, dort „Stimmung zu machen“. Durch konstruktive Chatbeiträge im Rahmen einer Diskussion?

Des Weiteren klingt das verwendete Adjektiv „konservativ“ abwertend, nämlich politisch konnotiert. Womit jedoch wollen Sie begründen, unser Verein sei „konservativ“, außer vielleicht in baukultureller Hinsicht? Der gemeinnützige Verein Stadtbild Deutschland e.V. ist überparteilich und unpolitisch, distanziert sich stets und seit jeher von politischer Vereinnahmung. Unsere Ortsverbandsmitglieder sind dem linksliberalen, teilweise dem grünen politischen Spektrum zuzuordnen. Auch wird in der Aussage von Frau Roelcke insinuiert, wir hätten gegen den Czyborra-Entwurf „Stimmung gemacht“, weil dieser besonders an Klimabelangen orientiert sei. Dies ist insofern völlig abwegig, als Klimabelange für uns auch von großer Bedeutung bei der Bewertung von Architektur ist, wir jedoch in einer geschlossenen Bauweise, wie traditionell in wärmeren Ländern üblich, die bessere Klimawandelresilienz sehen, und solider gebaute Steinhäuser für dauerhafter und nachhaltiger erachten als solche in Holzbauweise.

„Mindestens vier Personen aus dem Umfeld von Stadtbild Deutschland e.V. spielten sich hier die Bälle zu, von denen sich aber nur einer auch als solcher zu erkennen gab, und suggerierten so einen Konsens innerhalb der Berliner Bürgerschaft, den es so vermutlich nicht gibt.“ schreibt die Autorin Ihres Artikels. Auch diese Formulierungen enthalten Unterstellungen und gehen von falschen Voraussetzungen aus. Die nichtprofessionellen Teilnehmer der Konferenz waren üblicherweise nur mit Vor- und Nachnamen bezeichnet, und zwar so, wie man sich vor längerer Zeit für die Stadtwerkstatt registriert hatte – als Privatperson, nicht als Vertreter eines Vereins. Lediglich ein Mitglied des Ortsverbands hatte zu einem früheren Zeitpunkt die Angabe „Stadtbild OV Berlin“ zu seiner Teilnahmebezeichnung hinzugefügt, ohne dass wir uns je darüber abgestimmt hätten.

Frau Roelcke jedoch stellt den Sachverhalt so dar, als hätten sich die Mitglieder des Ortsverbands verabredet, verdeckt die Veranstaltung zu „dominieren“, was ich als unsachliche und böswillige Unterstellung empfinde. Wir haben uns einzeln nach unseren zeitlichen Möglichkeiten angemeldet, teils nur phasenweise, und haben hier und dort schriftlich unsere Diskussionsbeiträge verfasst, die sich nicht eigens aufeinander bezogen. Auch inhaltlich hatten wir alle unsere eigenen Schwerpunkte, ich selbst habe mich sogar teilweise lobend über den cka-Entwurf geäußert. Eine Forderung von Seiten der Veranstalter, etwaige Zugehörigkeiten zu Freizeitvereinen anzugeben, hatte es nicht gegeben.
Und so geht es in dem Artikel von Frau Roelcke weiter gegen den Stadtbild-Verein. Ein gutes Drittel des Artikels arbeitet sich die Autorin an unserem Verein ab, bemüht sich erkennbar darum, uns in einem schlechten Licht darzustellen.

Wir fühlen uns diffamiert und sind sehr verärgert und enttäuscht über diese Berichterstattung. Wir sind engagierte Bürger Berlins, die ehrenamtlich viel Zeit aufbringen, um uns für gute Baukultur und Denkmalschutz in unserer Stadt einzusetzen, letztlich aus Kunstinteresse. Parteipolitik spielt in unseren Gesprächen keine Rolle. Wir verabreden uns nicht, um „Stimmung zu machen“ oder „Veranstaltungen zu dominieren“.
Ich bin seit 22 Jahren Abonnent des Tagesspiegels und möchte nicht in meiner „eigenen“ Tageszeitung persönlich als Ortsverbandsleiter des Stadtbild-Vereins angegriffen und diffamiert werden – für mein ehrenamtliches, nebenberufliches Engagement für Baukultur und den Schutz historischer Gebäude in der Stadt, in der ich seit 33 Jahren lebe und der ich mich als Bürger verbunden fühle.
Es gäbe gute Gründe für Ihre Zeitung, positiv über unseren Verein und Ortsverband zu berichten, so wie beispielsweise auch die Berliner Zeitung. Ich hatte mit Ihrer Mitte-Redakteurin Julia Weiss im vergangenen Jahr bereits ein gutes Interview über vom Abbruch bedrohte Häuser im Bezirk Mitte (Mitte-Newsletter vom 27.1.21). Nach Veröffentlichung dieses Interviews haben sich Bewohner der betroffenen Häuser an mich gewendet, denen ich persönlich bei ihren Anliegen gegenüber dem Bezirksamt helfen konnte.

Ich freue mich über Ihre Antwort und bitte Sie, Frau Teresa Roelcke von diesem Schreiben in Kenntnis zu setzen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. med. Peter Dobrick