Berlin, den 25. April, 2012

Aushebeln der Bürgerbeteiligung bei der Sanierung des Jagdschlosses Glienicke

Im Jahr 2009 wurde mit der Sanierung begonnen. Die Baugenehmigung sah im Einvernehmen mit dem Landesdenkmalamt und der Unteren Denkmalbehörde den Erhalt der Tautschen Glasfassade vor. Im Frühjahr 2010 stellt die mit der Bauleitung beauftragte Architektin Frau Dr. Petersen den Erhalt der Glasfassade in frage, da die wesentlichen Konstruktionselemente der Glasfassade erhebliche Baumängel aufwiesen. Sie stellte einen Abrissantrag, der dann genehmigt wurde.

Von August 2010 bis Januar 2011 stellen viel Bürger, Presseorgane und Abgeordnete an die Senatorin für Stadtentwicklung und an den Bezirk die Frage, ob es sinnvoll sei, eine nicht gelungene Glasfassade, die nunmehr baufällig sei und abgebrochen werden müsse, zu rekonstruieren.

Im Februar 2011 stellt das vom Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf beauftragte Architekturbüro Petersen einen Änderungsantrag zur Baugenehmigung, der den Abbruch der in den 6oer Jahren errichteten Beton- und Stahlkonstruktionsfassade vorsieht. Der Antrag sieht nunmehr den Wiederaufbau der Gartenfassade analog der Schlossfassaden der Bauphase 1889 (geplant vom Architekten A. Geyer) vor. Die Architektin begründet ihren Antrag damit, dass bei einer Sanierung der Bestandsschutz verloren gehen wird. Die aktuellen gültigen Normen müssten bei der Ausführung eingehalten werden. Statik, Windlast, Anprallschutz, Kältebrücken, Wandanschlüsse, Dichtungen, erforderliche energetische Ertüchtigungen seien zu beachten. Daher sei eine 1:1 - Rekonstruktion der Tautschen Glasfassade nicht mehr möglich. Sie schlägt daher eine Wiederherstellung der Schlossfassade analog der Bauphase 1889 vor.

Ergänzend zur denkmalpflegerischen Stellungnahme des Landesdenkmalamtes wird von ICOMOS ein Gutachten eingeholt, das die Erhaltung der Tautschen Glasfassade und der davor stehenden Pergola vorschlägt. Auf Grund der Dissenserklärung des Bezirksamtes Steglitz-Zehlendorf fand am 25. März 2011 eine Besprechung bei der Senatsbaudirektorin Frau Lüscher mit der Staatssekretärin Frau Zinke für den Senator für Bildung, dem Leiter des Landesdenkmalamtes, Herrn Professor Haspel, dem Baustadtrat von Steglitz-Zehlendorf, Herrn Stäglin und einem Vertreter der ICOMOS statt. Das Ergebnis war, dass die Tautsche Glasfassade rekonstruiert werden solle.

Bürgeranfragen, das Protokoll der Besprechung einsehen zu dürfen, wurden abgelehnt.

Im April 2011 fragen Bürger im Ausschuss für Stadtplanung und Grünflächen nach dem derzeitigen Stand der Planung für das Jagdschloss und warum auf der Bauinformationstafel vor dem Jagdschloss die alte historische Fassade von Geyer dargestellt ist und damit den Bürgern etwas gezeigt wird, was nicht gebaut werden soll.

Am 18. Mai 2011 spricht sich die Bezirksverordnetenversammlung von Steglitz-Zehlendorf gegen die Rekonstruktion der Tautschen Glasfassade und für die Rekonstruktion der Fassade nach dem Architektenentwurf von A. Geyer aus.

Am 9. August 2011 verkündet der Stadtrat von Steglitz-Zehlendorf, Herr Norbert Schmidt, einen Baustopp.

Trotz vieler Bürgerproteste und Unterschriftensammlungen gegen die Rekonstruktion der Tautschen Glasfassade besteht das Landesdenkmalamt auf deren Rekonstruktion. Obwohl in einer Sitzung des Kulturausschusses der Leiter des Landesdenkmalamtes, Herr Professor Haspel, sehr nachdrücklich darum gebeten wurde, seinen Standpunkt nochmals zu überdenken, beharrte Herr Prof. Haspel vehement auf seinem Standpunkt. Dieser besteht gemäß Protokoll der Kulturausschußsitzung auf der Wiederherstellung des Glaserkers als Zeichen und Symbol des Mauerbaus. Da die Zeichnungen (Max Taut Archiv Akademie der Künste) nachweisbar aus dem Jahr 1959 sind, kann auch dieser Argumentation nicht gefolgt werden.

Um den schwierigen Weg der Entscheidungsfindung zu versachlichen, stellte die Bau(Ingenieur)kammer dem Vertreter des Landesdenkmalamtes, Herrn Dr. Thomas Schmidt und der leitenden Architektin, Frau Dr. Christina Petersen, Fragen (auf der Grundlage allgemeiner anerkannter Regeln und Gesetze der Denkmalpflege). Fragen und Antworten wurden von der Baukammer in ihrem Mitteilungsheft „Baukammer Berlin 1/2012 auf Seite 8-14" unter der Überschrift „Der schwierige Weg" veröffentlicht.

Unter Bezug auf die Charta von Venedig über die Erhaltung und Restaurierung von Kunstdenkmälern und Denkmalgebieten, Artikel 11:

"Das Urteil über den Wert der zur Diskussion stehenden Zustände und die Entscheidung darüber, was beseitigt werden kann, dürfen nicht allein von den für das Projekt Verantwortlichen abhängen"

wurden folgende Fragen gestellt:

  • „Wie weit ist also der Bürgerwille in die Entscheidung einzubeziehen?
  • Sollte es eine öffentliche Diskussion geben?
  • Wie sollte sie geführt werden?
  • Wer entscheidet am Ende?"

Herr Dr. Schmidt antwortete im Namen des Landesdenkmalamtes und seines Leiters, Herrn Prof. Haspel:

„Eine Bürgerbeteiligung im Entscheidungsprozess für die Sanierung bzw. Instandsetzung des Jagdschlosses Glienicke ist nicht erforderlich und notwendig, weil die Sanierung des Jagdschlosses Glienicke unter der korrekten Anwendung der internationalen Denkmalpflegekriterien und den Kriterien des Denkmalschutzgesetzes von Berlin erfolgt. Darüber hinaus werden die Entscheidungsprozesse unter anderen durch die Empfehlungen renommierter Institutionen, wie die des Landesdenkmalrates Berlin, der Akademie der Künste Berlin und des Deutschen Nationalkomitees ICOMOS begleitet und berücksichtigt".

Die leitende Architektin Frau Dr. Petersen antwortete hingegen:

"Neben dem Austausch von Fachgremien sind öffentliche Diskussionen unverzichtbar. Das Jagdschloss ist praktisch zu einem Lehrbeispiel geworden, wie ein Beteiligungsprozess interessierter Bürger nicht ablaufen sollte.

Es muss möglich sein, noch nicht umgesetzte Entscheidungen bei Vorliegen schwerwiegender Gründe in Frage zu stellen, abzuwägen und ggf. zu korrigieren".

Mit seiner Antwort macht das Landesdenkmalamt deutlich, dass es eine Bürgerbeteiligung im Entscheidungsprozess für nicht erforderlich und notwendig hält, wenn die Behörde der Meinung ist, dass sie die Gesetzte eingehalten hat.

Mit einer derartigen Argumentation kann jegliche Bürgerbeteiligung ausgehebelt werden.

Komplexe Regelungen wie im Denkmalschutz sind auslegbar. Gerade deshalb ist eine Bürgerbeteiligung im Entscheidungsprozess erforderlich und wünschenswert.

Erst im Februar 2012 hat der neue Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, Herr Michael Müller, in einem Vortrag in der Urania bekundet, dass er eine Bürgerbeteiligung für wünschenswert hält und das Erarbeiten eines Reglements für diese Bürgerbeteiligung für notwendig erachtet.

Als großer Bürgerverein fordern wir nunmehr die Bürgerbeteiligung ein.

  1. Muss das gebaut werden, was den Bürgern suggeriert wurde.
  2. Das Genehmigungsverfahren und die Bürgerbeteiligung müssen transparent sein.
  3. Empfehlungen von ICOMOS dürfen nicht nach Belieben umgesetzt werden.

Wir fordern daher, hier im konkreten Fall, das Genehmigungsverfahren auszusetzen, ein denkmalpflegerisches Gutachten eines neutralen Gutachters zu veranlassen und dann eine Diskussion mit den Bürgern durchzuführen.

Erst dann sollte der Senator für Stadtentwicklung und Umwelt im Benehmen mit dem Senator für Bildung eine entsprechende Vorlage in die parlamentarischen Gremien geben.

Wir bitten die Mitglieder des Petitionsausschusses, sich für die Verwirklichung unserer Forderung einzusetzen.

Des Weiteren bitten wir Sie, auf den Senator für Stadtentwicklung und Umwelt einzuwirken, dass ein generelles Reglement für Bürgerbeteiligung für größere Bauvorhaben erarbeitet wird.

Dipl.-Ing. Gerhard Hoya
Vorstandsvorsitzender
Gesellschaft Historisches Berlin e.V.