Berlin, 14.07.2019 - Gemeinsame Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft der Historischen Bürgervereine Berlin

Zum Symbolismus in der Gestaltung der Berliner Mitte

Alle wollen natürlich nur ihr Bestes, die besten städtebaulichen Lösungen für die Berliner Mitte. Aber was ist die Motivation hinter den in den letzten Jahrzehnten propagierten Gestaltungen?

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Schloß als Symbol des Feudalismus und des Obrigkeitsstaates beseitigt, einige hundert Altbauten der Altstadt, die den Krieg überstanden hatten, mussten als Symbole der kapitalistischen Ausbeutergesellschaft dem Symbol des Technischen Fortschritts schlechthin, dem Fernsehturm, und seinem großzügigen Umfeld weichen. Die Ruine der Franziskaner Klosterkirche, das kunsthistorisch wertvollste Baudenkmal unserer Stadt, bröckelt als Symbol für den Bombenkrieg vor sich hin. Die erste der genannten historischen Fehlentscheidungen wurde in den letzten Jahren korrigiert. Wie steht es um die Stadtgestaltung unserer Zeit? Konnte sie sich vom politischen Symbolismus lösen?

 

Die namenlose Grünanlage zwischen der Spandauer Straße und der Spree hat drei Jahre vor dem Mauerfall die Aufgabe bekommen, an die Begründer der Staatsdoktrin der DDR zu erinnern. Der vorletzte Bürgerdialog zur Berliner Mitte – wie viele werden noch folgen? – beschwor diese Parkanlage, die drei Häuserblöcke unter sich begraben hat, als Grüne Oase, als Symbol der ökologischen Wende und der Berliner Weltoffenheit – das hätte die DDR nicht schöner ausdrücken können. Noch verrückter ist das Vorhaben der Stiftung Zukunft Berlin, hier einen Weltgarten anzulegen, in dem den „im Humboldt-Forum präsentierten ... Kulturen der Welt ihre Wurzeln ... in den entsprechenden Pflanzenwelten als Ort des Dialogs ... gegenübergestellt“ werden.

Auch am Molkenmarkt, dem ältesten Platz der Stadt, geht es im aktuellen Diskurs nicht um Straßenbreiten, Fluchtlinienverläufe, Parzellengrenzen, Kubaturen, Fassaden und Dachformen, sondern allein darum, dass hier am Rathaus preiswerter Wohn- und Gewerberaum geschaffen wird – das höchste Ziel aktueller Symbolpolitik. Der Senat lud jüngst zur nächsten Molkenmarkt-Debatte zudem mit den Worten ein, Senatsmitarbeiter stünden „in lockerer Atmosphäre bei Getränken und Snacks für Gespräche bereit [darüber hinaus auch] die Stadtwerkstatt-Sofalandschaft“ – mit Musik, natürlich. Das ist Symbolismus einer höheren Ordnung, das ist Beteiligungssimulation: Es wird gemeinsam gechillt und nebenbei die Zukunft der Mitte geklärt.

Worauf es eigentlich ankommt? In der Mitte zuzulassen, was eine große Stadt ausmacht, eine dichtgedrängte Fülle unterschiedlicher Kultur- und Waren-Angebote im öffentlichen Stadtraum, der gebildet wird von einer Vielzahl städtischer Wohn- und Geschäftshäuser in Privatbesitz und einigen öffentlichen Bauwerken – wahrlich eine exotische Idee. Oder?

Berliner Historische Mitte e.V. - Hubertus Müller, Bürgerforum Berlin e.V. - Dr. Benedikt Goebel, Bürgerverein Luisenstadt e.V. - Volker Hobrack, Forum Stadtbild e.V. - Andreas Volkmann, Gesellschaft Historisches Berlin e.V. - Gerhard Hoya