Berlin, den 30.08.2021
Alle Wettbewerbsentwürfe gleichen den Plänen für eine Bundesgartenschau. Erinnerungen an die Geschichte des Ortes sind nicht zu finden. Auch die historischen Wegbeziehungen werden nicht aufgenommen. Dafür sperren die meisten Landschaftsarchitekten die Spandauer Straße und die K.-Liebknecht-Str. in Richtung Alex. Der Schlossbrunnen verbleibt an seinem jetzigen Ort und erhält als Nachbarn einen Volley-Spielplatz oder einen betonierten Platz der Demokratie.
Auch der prämierte Entwurf des Landschaftsarchitekten Lenzen folgt diesem Muster.
Mit dieser Planung bleibt Berlin vorerst ohne eine Stadtmitte.
Vor dem Rathaus in der Nähe des problembeladenen Alexanderplatzes einen Großpark zu errichten, der nicht den Hauch eines stadtgeschichtlichen Bezuges hat, wird zu einem Boomerang nicht gekannten Ausmaßes führen. In dieser sogenannten "Grünen Lunge" wird ein nicht mehr beherrschbares weiteres Drogen- und Obdachlosen-Quartier entstehen, das die künftigen regierenden Bürgermeisterinnen oder Bürgermeister -im Roten Rathaus hilflos aus dem Fenster schauend- beobachten dürfen.
Die bedeutsame Geschichte der Berliner Mitte zu negieren und ausschließlich die 60er Jahre Planung der SED zu pflegen, verdeutlicht noch einmal die Verdrängungsleistung und Unkenntnis der politisch verantwortlichen Akteure.
Wer wirklich ökologisch zukunftsfähig werden möchte, engagiert sich für einen langfristigen kleinteiligen Wiederaufbau der Mitte und eine Abkehr von Großprojekten des 20. Jahrhunderts - statt den status quo zu schützen!
Zukunft hat das Prinzip der EUROPÄISCHEN STADT, die lebendige Stadt der kurzen Wege mit gemischter Infrastruktur und Kleinteiliger Blockrandbebauung -hier auf dem historischen Stadtgrundriss- mit begrünten Innenhöfen, die in überschaubarer nachbarschaftlicher Community gepflegt werden, alles verbunden mit Schulen, Kitas, Gewerbe und Kleingewerbe.
Dieses Konzept ist seit Jahrtausenden ökologisch tragfähig im Sinne von gutem Stadtklima durch Grünbereiche und Schattenzonen der Gebäude.
Immer wieder gerät allen Protagonisten aus dem Focus, dass wir uns an diesem Ort auf dem Gründungsbereich unserer Stadt Berlin befinden und alle Kelleranlagen der Altstadt unter dem momentanen Pflaster verborgen liegen.
Unbeirrt schwärmt die Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Regine Günther:
„Berlins Mitte wird grüner, attraktiver und klimarobuster. Die Entscheidung, das Rathaus- und das Marx-Engels-Forum frei von Bebauung zu halten, ermöglicht eine zukunftsfähige Gestaltung“ (Anmerkung: dass gibt der nächsten Generation die Möglichkeit, den temporär grün gestaltenen Raum zu bebauen!) „Der Siegerentwurf bietet hohe Aufenthaltsqualität mit Flächen zum Flanieren, zum Ausruhen, zum Genießen von spektakulären Aussichten auf Dom, Humboldt Forum und Fernsehturm. Zusammen mit dem weiteren Umfeld wird hier ein moderner, klimaresilienter Stadtraum geschaffen, der vielfältige Nutzungen einer vielfältigen Gesellschaft ermöglicht.“
Leider vergaß Frau Günther, dass sie und die übrigen Protagonisten für die grün- und baumfreie Beton- und Asphaltwüste vor dem neuen Humboldtforum verantwortlich sind.
Waren es nicht genau jene Akteure, die ihr Desinteresse an der historischen Mitte mit den Worten Klimaschneise und Kühlfläche begründen...
Gerhard Hoya
Vorstandsvorsitzender der
Gesellschaft Historisches Berlin e. V.