Einsparpotenziale dringend gesucht: Preisexplosion bei den Baukosten wird zum Problem für den dringend erforderlichen Wohnungsbau
Berliner Morgenpost vom 12.01.2022 von Isabell Jürgens
Nach dem das statistische Bundesamt am Vortag alarmierende Zahlen zu den gestiegenen Baupreisen in Deutschland vorgelegt hat, stellte das Amt für Statistik Berlin -Brandenburg am Dienstag die Daten für die Metropolregion vor. Und die fallen nicht minder dramatisch aus: Im November 2021 lagen die Preise für den Neubau von Wohngebäuden in Berlin im Durchschnitt um 13,9 Prozent und in Brandenburg um 17,4 Prozent höher als ein Jahr zuvor, teilte das Amt mit. Besonders für Berlin mit seinem akuten Wohnungsmangel sind das schlechte Nachrichten, zumal sich der neue rot-grün-rote Senat das Ziel von 20.000 bezahlbaren Wohnungen jährlich gesetzt hat.
„Wir sehen die Preisexplosion beim Bau mit größter Sorge. Sie ist ein echtes Risiko für die so ehrgeizigen wie notwendigen Berliner Neubauziele“, sagt Maren Kern, Chefin des Verbandes Berlin -Brandenburgischer Wohnungsunternehmen BBU, auf Nachfrage der Berliner Morgenpost. „Es wird eine erste große Aufgabe im geplanten ‚Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen‘ sein, sich mit dieser Entwicklung auseinanderzusetzen und zu klären, was daraus für die Berliner Baupolitik folgt“, so die BBU-Vorständin weiter. Aber auch der Bund werde sich schnellstens dieser enormen Herausforderung stellen müssen, die letztlich auch den sozialen Zusammenhalt im Land gefährden könne. „Dabei ist leider klar, dass es die eine große Lösung nicht gibt“, so Kern. „Wir müssen die vielen kleineren Stellschrauben angehen, mit denen die Baukosten gedämpft werden können – natürlich auch die Planungsverfahren, Bauinnovationen oder nachhaltige Baustandards .“
Auch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften treibt die Kostenexplosion am Bau um. „Natürlich beschäftigen wir uns mit dem Thema, wie wir die Baukosten auffangen können“, sagt Jörg Franzen, Sprecher der Berliner Wohnungsbaugesellschaften und Vorstandsvorsitzender der Gesobau. Die Möglichkeiten zu Einsparungen am Bau seien allerdings begrenzt. „Wir werden sicher nicht auf Balkone verzichten, das würde die langfristige Vermietbarkeit gefährden“, nennt Franzen ein Beispiel. Auch bei den energetischen Standards gebe es nicht nur aufgrund gesetzlicher Vorschriften wenig Einsparpotenzial, zumal es sich durch die CO 2 -Bepreisung, die Verteuerung der Energie und die auf Energiestandards abgestellten Finanzierungskonditionen langfristig nicht rechnen würde, in diesem Bereich zu sparen.
Landeseigene profitieren noch von günstigeren Konditionen
„Die Gesobau ist von den erheblichen Preissteigerungen des Jahres 2021 bislang noch weitgehend verschont geblieben“, ergänzt Franzen. So habe sie beispielsweise noch Verträge für ein Bauvorhaben in Hellersdorf mit etwa 130 Wohneinheiten sowie für ein Projekt in Pankow mit rund 420 Wohneinheiten zu günstigeren Konditionen gerade abgeschlossen. „Das kann allerdings auch am langen Vorlauf liegen, EU-weite Vergabeverfahren laufen mindestens über ein Jahr“, erläutert Franzen. Welche Forderungen an die Landesregierung sich aus den hohen Baukosten ergeben, dazu könne er noch nichts sagen.
„Wir sehen die Preissteigerungen mit Sorge, halten aber an unserem Ziel fest, 20.000 Wohnungen im Jahr zu bauen “, sagt Martin Pallgen, Sprecher von Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD). „Pauschal über die Absenkung von Standards zu spekulieren, wäre zum jetzigen Zeitpunkt unseriös. Das muss man immer von Projekt zu Projekt entscheiden“, so Pallgen weiter. Ziel sei, zum Beispiel durch die Novellierung der Bauordnung das Bauen schneller und auch günstiger zu machen.
„Im Hinblick auf den Wohnraummangel und die Anpassung an den Klimawandel müssen dennoch öffentliche Investitionen in den Wohnungsneubau, die energetische Gebäudesanierung, aber auch in die Infrastruktur sichergestellt werden, damit die Metropolregion auch weiterhin zukunftsfähig bleibt“, fordert Manja Schreiner von der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg. Auf Material- und Rohstoffpreise habe die Politik nur bedingt Einfluss, auf andere Faktoren wie hohe Energiepreise, Transport- und Deponiekosten aber durchaus. „Auch sehen wir die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg in der Verantwortung, dass zusätzliche Kostentreiber wie Gebühren für die Nutzung von Straßenland gesenkt sowie komplizierte und langwierige Planungs -, Genehmigungs- und Vergabeverfahren abgeschafft werden“, so die Verbandschefin.
Auch der Spitzenverband der privaten Immobilienwirtschaft (BFW) sieht die Landespolitik durchaus gefordert, wenn es um Kosteneinsparungen am Bau geht. „Projekte, die in der Warteschleife für Baugenehmigung hängen, werden auch durch ewige Verfahrensschleifen und schlechte Prozessabläufe teurer“, sagt BFW-Geschäftsführerin Susanne Klabe.