Verein stellt Umplanung vor. Demnach kann die Reinigungsfläche um 60 Prozent reduziert werden. Das spart Kosten
Berliner Morgenpost vom 04.05.2022 von Isabell Jürgens

Zu teuer, zu elitär, zu unhygienisch, unökologisch, technisch nicht machbar und aus denkmalpflegerischen Aspekten unangemessen: Das Vorhaben, nach rund 100 Jahren mitten in Berlin wieder eine Flussbadeanstalt zu eröffnen, hatte zuletzt mit heftigem Gegenwind zu kämpfen. Jetzt melden sich die Macher mit überraschenden neuen Zahlen zu Wort.

„Der Verein „Flussbad Berlin “ präsentierte am Dienstag die Ergebnisse aus einem Langzeitversuch. Die auf der „Hans-Wilhelm“, einem zum Laborschiff umgebauten Lastkahn, über viereinhalb Jahre getesteten Filtersysteme hätten ergeben, dass eine für das Baden ausreichende Wasserqualität im Kupfergraben mit einer gegenüber den ursprünglichen Planungen um 60 Prozent kleineren Filterfläche erzielt werden könne.

Verzicht auf Betonkanal zur Hochwasserabfuhr

Daraus, so Heribert Rustige vom beauftragten Forschungsunternehmen Akut, resultiere eine erhebliche Vereinfachung für das Projekt. „Nach Einleitungen aus der Mischkanalisation kommt es selten, bedingt durch Starkregen, zu kurzen Phasen mit einer sehr hohen Keim-Belastung“, so Rustige. Diesen Situationen könne mit temporären Maßnahmen begegnet werden, etwa durch den Einsatz einer zusätzlichen ultravioletten Reinigungsstufe, bei der UV-Licht Wasser entkeimen könne, so der Ingenieur. Wegfallen könne dagegen der Düker, ein Betonkanal zur Hochwasserabfuhr unter dem Filter aus Blähton und Schilfpflanzen. Zwar soll es bei der geplanten Länge der Filteranlage zwischen Gertraudenbrücke und Flussbad -Garten unterhalb des Staatsratsgebäudes bleiben. „Jedoch reicht uns für den Pflanzenfilter ein Drittel der Kanalbreite“, sagte Rustige.

Seit 2012 setzt sich der Verein „Flussbad Berlin e. V.“ dafür ein, den 1,8 Kilometer langen Spreekanal von der Gertraudenbrücke bis zum Bode-Museum mit einer Filteranlage in einem großen Teilbereich ökologisch zu säubern und auf einer Länge von 835 Metern als Flussbad zu nutzen. Um das Projekt voranzutreiben, bekam der Verein „Flussbad Berlin “ zwischen 2015 und 2019 rund vier Millionen Euro von Bund und Land. Das ehrgeizige Ziel: 2025 soll das Badeverbot in der Spree nach rund 100 Jahren enden.

Verein rechnet mit Ersparnis von 24 Millionen Euro

Dadurch, dass der Filter nun deutlich geringer dimensioniert werden könne, ergeben sich nach Angaben von Tim Edler, Planer des Flussbad -Projektes, erhebliche Kostenersparnisse und weniger Eingriffe in die denkmalgeschützte Umgebung. Nach Edlers Rechnung würden sich die Kosten des ursprünglichen Konzepts, die nach einem 2019 erstellten Gutachten des Büros Inros Lackner bei 68,6 Millionen Euro gelegen hatten, allein dadurch um 35,6 Prozent, also 24,3 Millionen Euro, verringern.

Kritiker wie der Ingenieur Ralf Steeg rechneten dagegen, bislang jedenfalls, mit massiven Kostensteigerungen. Er schätze die Gesamtprojektkosten auf 150 bis 200 Millionen Euro, sagte Steeg noch 2021 bei einer Anhörung im Verkehrsausschuss . Ob die vorgelegten Auswertungen zur Wasserqualität sowie die kostensparenden Umplanungen die vielen Kritiker überzeugen können, bleibt abzuwarten. Leider sei es nicht gelungen, Kontakt zum ehemaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) und DDR-Bürgerrechtler Günter Nooke (CDU) aufzubauen, bedauerte Edler. Diese hatten 2021 in einem von 60 weiteren Personen unterzeichneten Schreiben an den damaligen Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) gefordert, die Flussbadtreppe direkt neben dem im Bau befindlichen Einheitsdenkmal „in Gänze oder zumindest deren übergriffige und die Wirkung des Denkmals schmälernde Gestaltung zu stoppen“.

Und auch Vertreter des Berliner Doms, die sich ebenfalls vehement gegen das Flussbad -Projekt ausgesprochen hatten, seien bislang auf Einladungen des Vereins nicht eingegangen, sagte Edler. Das sei besonders deshalb schade, weil man gern über einige „Missverständnisse“ bezüglich der geplanten Freitreppe vor dem Humboldt Forum aufklären würde. So werde die umstrittene Freitreppe gar kein Zugang für die Badegäste, weil diese nach den Plänen des Senats einen Meter über der Wasseroberfläche ende. Einstiege ins Wasser befänden sich lediglich am Staatsratsgebäude und der Monbijoubrücke gegenüber dem Bodemuseum.

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