Tagesspiegel vom 10.06.2022 von Robert Kiesel

In der Debatte über einen möglichen Verkauf landeseigener Wohnungen an deren Mieter kommen SPD, Grüne und Linke nicht auf einen Nenner. Nachdem Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) einen entsprechenden Vorschlag aus den Reihen der landeseigenen Wohnungsbauunternehmen als denkbar bezeichnet hatte, lehnten die beiden Wohnungspolitik-Experten von Grünen und Linken, Katrin Schmidberger und Niklas Schenker, den Vorstoß am Donnerstag im Abgeordnetenhaus entschieden ab.

„Der Vorschlag ist weder zeitgemäß noch kreativ und er wird in die wohnungspolitische Sackgasse führen“, sagte Schmidberger. Da rund die Hälfte der Berliner Mieter einen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein habe, gehe der Vorschlag an der Realität vorbei, sagte sie weiter und verwies auf die in den vergangenen Jahren deutlich gestiegenen Immobilienpreise. „Der Krieg und die Rohstoffkrise zeigen, wie wertvoll der öffentliche Bestand in Berlin ist“, sagte Schmidberger und sprach von einem „gefährlichen Irrweg“. Statt landeseigene Wohnungen zu verkaufen, müsse über eine Regulierung der Mieten und einen „Renditedeckel“ nachgedacht werden, forderte sie. Schenker bezeichnete die Privatisierung kommunaler Wohnungen in den 90er Jahren gar als „die Mutter aller Problem auf dem Wohnungsmarkt“ und forderte ein „Privatisierungsverbot kommunaler Wohnungen“.

Deutlich zurückhaltender äußerte sich Sevim Aydin, Sprecherin für Wohnen und Mieten in der SPD-Fraktion. „Ich bin der Auffassung, dass sich die landeseigenen auf ihre Aufgabe konzentrieren sollten“, sagte sie und kündigte an, den öffentlichen Wohnungsbestand durch Neubau und auch Ankauf erweitern zu wollen. Anlass für die Debatte war ein Antrag der AfD-Fraktion. Sie griff die Forderung nach Privatisierung landeseigener Wohnungen an bestehende Mieter auf und begründete das damit, die Altersversorgung von Mietern sichern zu wollen. Redner von CDU und FDP signalisierten inhaltlich Zustimmung, weigerten sich aber, den Antrag zu unterstützen.

Ausgelöst hatte die Debatte eine Äußerung des Gesobau-Geschäftsführers Jörg Franzen. Mit Blick auf steigende Kosten beim geplanten Schumacher-Quartier in Tegel hatte er vorgeschlagen, dass die kommunalen Wohnungsunternehmen ihre Einnahmen durch den Verkauf von Eigentumswohnungen aufbessern. Auf diese Weise sollten die Mieten in den übrigen Neubauwohnungen bezahlbar gehalten werden – Senator Geisel signalisierte Zustimmung. 

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