In der Berliner Steinbildhauerwerkstatt Hoferick entstand in Originalgröße die mächtige Gipsvorlage für die Ausführung in Kupfer. Nächstes Werk: das Sanchi-Tor
Berliner Zeitung vom 28.06.2022 von Maritta Adam-Tkalec

Acht Meter breit und, wenn erst die Königskrone obendrauf sitzt, auch acht Meter hoch ist die Große Schlosskartusche, die oberhalb des Außenportals III und unterhalb der Kuppel die Fassade des Berliner Schlosses an seiner Westseite vervollständigen wird. Sie sitzt gewissermaßen als Hoheitszeichen der früheren Schlossherrn über dem repräsentativsten Zugang zur Machtzentrale.

Umrahmt von Schmuckelementen wie Palmzweigen und Muscheln bildet der eigentliche Wappenschild das Zentrum des Werkes – darin der Hohenzollern-Adler, auf der Brust die ineinander verschlungenen Initialen FR, Fridericus Rex. Das alles umlegt mit der vielgliedrigen Kette des Schwarzen Adlerordens, der höchsten preußischen Auszeichnung, die hier symbolisch das ganze Königshaus als Träger ehrt.

Perfektion für das Eosander-Portal
Preußenfreunde und sonstige Traditionalisten wird die Wiederkehr der Kartusche freuen, aber auch Kunstfreunde jedes Alters und jeder Herkunft werden mit dem Anblick dieses barocken Kunstwerkes glücklich sein. „Das ist das i-Tüpfelchen der von Eosander von Göthe gestalteten Fassade des Berliner Schlosses “, sagt Steinbildhauer Andreas Hoferick, der in den vergangenen Wochen gemeinsam mit seinem Kollegen Oleg Bessonov maßgeblich einen zentralen Abschnitt der komplexen Wiederherstellung des verlorenen Werkes gemeistert hat.

Strahlend weiß und fein gearbeitet in Originalgröße macht die Kartusche in der Werkstatt von Andreas Hoferick in Berlin -Weißensee durchaus Eindruck, aber vollendet ist das Werk noch nicht. So wie sie jetzt als gipserne Form einer Spezialkonstruktion aufgebaut steht, kann man sie nur noch wenige Tage lang sehen. Dann wird das vier bis fünf Tonnen schwere Gipsobjekt in 19 Einzelteile zerlegt in die viel gerühmte Metallbau- und Kunstschmiedewerkstatt Fittkau überführt – auch in Weißensee, fast nebenan und trotzdem eine heikle Transportaktion.

Verlorenes Kunstwerk entsteht neu
Dort wird sie in monatelanger Feinarbeit nach der Gipsvorlage ganz überwiegend als Treibarbeit in Kupfer final ausgeführt. Der Fachbetrieb Fittkau hat schon die Laterne zur Kuppel des Schlosses hergestellt. Auftraggeber ist die Stiftung Humboldt-Forum im Berliner Schloss . Finanziert wird das aufwendige Werk mit Spenden, die der Förderverein Berliner Schloss gesammelt hat.

Der derzeitige Zwischenzustand der Kartusche erlaubt einen erhellenden Einblick die Arbeit der Künstler. Zunächst modellierten sie nach fotografischen Vorlagen aus Ton ein exaktes Modell im Maßstab 1:3. Dieses wurde in 19 einzelne Teile zerlegt und jedes davon in Handarbeit und mit feinem Blick wiederum in Ton, nun aber im Maßstab 1:1, also in Originalgröße ausgearbeitet. „In dieser Phase wird die eigentliche bildhauerische Leistung erbracht“, sagt Andreas Hoferick. Das verlorene Kunstwerk entsteht neu. Von jedem der 19 tönernen Einzelteile wurden Silikonformen genommen, diese dann in Gips ausgegossen und schließlich zusammengefügt.

Die Kupfertreibarbeit, die nach der Gipsvorlage entsteht, wird dann deutlich weniger Gewicht haben, sodass sie in die Schlossfassade eingebracht werden kann. Die großen Elemente Adler und Muscheln entstehen in einem Galvanisierungsverfahren, das es erlaubt, ein bis drei Millimeter messende, also besonders dünne und damit gewichtsparende Kupferschichten herzustellen.

Begleitung für Wappen
Am Portal wird das mächtige Wappengebilde flankiert von den allegorischen Figuren „Stärke“, „Mäßigung“, „Gerechtigkeit“ und „Weisheit“, die schon im Dezember 2020 rechts und links der Großen Kartusche platziert wurden: Eine Etage höher zieren Moses und Elias das Portal, das als Hauptzugang zum Foyer des Humboldt-Forums und in den Großen Schlosshof (auch Eosanderhof genannt) führt.

Ist das Werk in Kupfer ausgeführt, hat das große Gipsmodell ausgedient. „Das kommt normalerweise auf den Schutt“, sagt Hoferick – wenn niemand Interesse an dem Großobjekt anmeldet. Er wird jedenfalls das 1:3-Modell aufbewahren.

Und die nächste Arbeit wartet schon – ein Werk, das die unmittelbare Umgebung des Schlosses zieren soll: Auf der dem Lustgarten und dem Dom zugewandten Seite soll nach dem Willen der Stiftung Humboldt-Forum eine steinerne Kopie des zehn Meter hohen altindischen Sanchi-Tores stehen. Das Original bildet in der Tempelstadt Sanchi im indischen Bundesstaat Madhya Pradesh einen Eingang zu einem Stupa aus dem 2. Jahrhundert v. u. Z.

In Hofericks Werkstatt liegen bereits zwei würfelförmige Elemente und ein gewölbter Torbalken aus rötlichem Main-Sandstein, der farblich mit dem indischen Original abgestimmt ist. Im Bamberger Natursteinwerk Graser wurden die Grundformen von Ornamenten und Figuren entsprechend Scanvorlagen bereits vorgefräst. Erahnen lassen sich Szenen aus der buddhistischen Mythologie: Menschen, Elefanten, Tempel, Bäume. Monatelang werden Andreas Hoferick und seine Kollegen in der Werkstatt enorm viel Feinarbeit beim Ausarbeiten der Details verrichten müssen. Fotografien dienen als Vorlage.

Eigene gestalterische, gar inhaltliche Gedanken müssen sie dabei vollständig zurückdrängen, hier geht es allein darum, unbefangen die „ursprüngliche Intention zu erfassen und im Stil der indischen Meister zu realisieren“, erläutert Andreas Hoferick die Aufgabe: „Das ist ja nicht mein Werk, sondern das eines anderen, aus einer anderen Kultur.“

Zu viert werden sie an den erzählenden Reliefs und vollplastischen Einzelfiguren des Tores arbeiten. Bis zum Jahresende, vielleicht zum Beginn des nächsten Jahres werden sie damit beschäftigt sein.

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