Verdacht auf Unregelmäßigkeiten bei Auftragsvergabe des Vereins Flussbad Berlin - Das Flussbad-Projekt im Spreekanal in der Mitte Berlins ist umstritten. Zu kompliziert, technisch und rechtlich nicht machbar, zu teuer - so lauten die Einwände. Jetzt kommt auch noch eine Finanzaffäre hinzu.
RBB 24 Abendschau vom 14.07.22 von Torsten Mandalka

Frühjahr 2017: Der gemeinnützige Verein Flussbad Berlin will die Idee einer Badenutzung des Spreekanals in der Mitte Berlins voranbringen. Zwar wird das Projekt schon längst lebhaft diskutiert, die Öffentlichkeitsarbeit soll aber noch besser werden. Also schreibt der Verein einen Auftrag aus für ein PR-Projekt. Geld genug hat er - aus der öffentlichen Förderung durch Bund und Land Berlin. Bei der Ausschreibung geht es um Pläne, "fotorealistische Darstellungen" und Grafiken, die auch für die "allgemeine Öffentlichkeit" verständlich sind, und um einen Erklärfilm.

Im Mai gibt es zwei Interessenbekundungen, aber nur ein konkretes Angebot. Es stammt von der Firma "Realities United" (Eigenschreibweise: "realities:united"), die dann auch den Zuschlag erhält. Das Geschmäckle daran: "Realities United" gehört den Brüdern Jan und Tim Edler - der eine ist Vorsitzender des Flussbad-Vereins, der andere steht als Planer und Projektautor auf der Funktionärsliste. Die Entscheidung für den Zuschlag wurde von der heutigen Schatzmeisterin, die damals Geschäftsstellenleiterin war, und ihrem Vorgänger getroffen. Letzterer war ausweislich seiner Vita wenige Jahre zuvor freier Mitarbeiter von "Realities United".

Im Juli - offensichtlich nach einem Bietergespräch - hat sich dann auch die Auftragssumme erhöht. Für 44.000 Euro hatte "Realities United" zunächst seine Dienste angeboten. Jetzt stehen plötzlich 59.443,25 Euro auf dem Vertragsentwurf. Eine Steigerung um circa 25 Prozent. Das alles geht aus Unterlagen hervor, die der Redaktion rbb|24 Recherche vorliegen.

Senat prüft Rückforderung

Vergabeverfahren und Vergabeentscheidung wurden seinerzeit weder von Seiten des Bundes noch vom Land Berlin in Frage gestellt. Der Flussbad-Verein weist darauf hin, dass es seinerzeit eine kontinuierliche Begleitung des Prozesses durch die Senatsverwaltung gegeben habe, auch durch eine von dort beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

Inzwischen bewertet die zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen die Sache anders. 2017 war dort noch die Linke Katrin Lompscher Senatorin, inzwischen ist Andreas Geisel von der SPD hier Hausherr. Sein Sprecher Martin Pallgen, erklärt zu dem realities:united-Vorgang: "Flussbad e.V. hat bei der Vergabe des Auftrags gegen vergaberechtliche Auflagen des Bewilligungsbescheids verstoßen. Für die Ausschreibung wurde ein nicht korrektes Vergabeverfahren gewählt. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen prüft nun eine Rückforderung von Teilen des Förderbetrags."

Verein: Auftrag war Teil der "DNA" des Projekts

Auf Seiten des Vereins wird der Vorgang dagegen als völlig unproblematisch bewertet. In einer Antwort der Schatzmeisterin des Schatzvereins auf eine Anfrage von rbb24 Recherche heißt es, die Initiative für das Flussbad basiere nun mal auf einer Idee des von den Brüdern Tim und Jan Edler geführten Büros "Realities United". Die angeführte personelle Überschneidung zwischen der beauftragten Firma und dem Verein sei "wenig überraschend", sondern "Teil der 'DNA' des Projekts". Bund und Land Berlin hätten außerdem "intensive Überlegungen angestellt und Vorgaben gemacht, um ein Höchstmaß an Transparenz (…) zu gewährleisten, und zwar ganz speziell bei solchen Fällen, in welchen Jan Edler oder Tim Edler involviert seien".

Ein Vergabeverstoß liege nach "Kenntnis" des Vereins nicht vor. Wieviel Geld denn nun genau aus diesem Auftrag vom Verein an realities:united geflossen sind und ob es noch weitere Aufträge an die Firma des Vorsitzenden gab, erklärt die Schatzmeisterin nicht.

Der Vergaberechtsexperte Stephan Tomerius von der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht bewertet den Vorgang anders als der Verein. Nach Sichtung der vorliegenden Unterlagen kommt er zu dem Schluss, dass das Vergabeverfahren unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit in einem Bieterwettbewerb durchaus zu beanstanden sei.

Auf Seiten der Eigentümer von "Realities United" hätten wegen ihrer Funktionen im auftraggebenden Verein möglicherweise Vorkenntnisse über den Auftrag bestanden, die andere potenzielle Bieter nicht hatten, so Tomerius weiter. Außerdem seien mögliche Interessenkonflikte erkennbar, die in einem solchen Vergabeverfahren von Rechts wegen hätten vermieden werden müssen. Tomerius kritisiert aber auch den Senat. Der habe die Personenidentität zwischen Vereinsvorstand und Bieter-Firma seinerzeit nicht thematisiert und darüber offenbar hinweggesehen.

Vor zwei Wochen war durch einen Bericht von rbb24 Recherche über eine parlamentarische Anfrage bekannt geworden, dass für das Projekt Flussbad Berlin bereits rund sechs Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln an den Verein gegangen sind, eine weitere gute Million steht noch zur Auszahlung an.

Fest steht: In der Berliner Politik ist die Flussbad-Idee jahrelang parteiübergreifend mit sehr viel Wohlwollen gesehen worden. Das ändert sich gerade. Inzwischen gilt es als Millionen-Projekt mit unsicherer Zukunftsperspektive - die jetzt ans Licht gekommene Finanzaffäre könnte es endgültig versenken.

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