Stetiger Zuwachs trotz eingeleiteter Mobilitätswende. ADAC fordert angepasstes Verkehrskonzept
Jens Anker vom 18.07.2022

Berlin Trotz der vor fünf Jahren eingeleiteten Mobilitätswende ist die Zahl der Kraftfahrzeuge auf Berlins Straßen stetig gewachsen. In den vergangenen zehn Jahren stieg die Zahl der angemeldeten Autos und Lastwagen um 170.000 auf 1,48 Millionen im Jahr 2021. In diesem Jahr kamen nach Angaben des Statistischen Landesamts bereits 15.000 weitere hinzu, sodass Berlin wohl noch in diesem Jahr die 1,5-Millionen-Marke knacken wird.

Aus Sicht des ADAC muss der Anstieg sich in einer veränderten Verkehrsplanung widerspiegeln. „Auf der diesjährigen Hauptstadtkonferenz E-Mobilität wurden Szenarien vorgestellt, wonach es in Berlin im Jahr 2040 bis zu 1,9 Millionen zugelassene Kraftfahrzeuge geben wird, dazu kommt als erschwerende Tatsache, dass es schon jetzt täglich 300.000 Pendler aus dem Umland gibt“, sagte der Verkehrschef des ADAC Berlin -Brandenburg, Edgar Terlinden, der Berliner Morgenpost. Der motorisierte Individualverkehr bleibe demnach ein wichtiger Bestandteil des Verkehrs , insbesondere, wenn dieser künftig sogar klimaneutral erfolge. „Wir sehen mit Sorge, dass der Senat vor diesem Hintergrund wichtige Straßeninfrastruktur zurückbauen will“, sagte Terlinden.

Vor dem Hintergrund der steigenden Kfz-Zahlen sieht der ADAC den Senat in der Pflicht, sein Verkehrskonzept anzupassen. „Die Ansätze des Senats konterkarieren sich, in Mitte besteht zum Beispiel ein großer Bedarf an Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge, gleichzeitig sollen dort aber besonders viele Parkplätze wegfallen“, sagte Terlinden. „Wir brauchen dringend ein ganzheitliches Verkehrskonzept für Berlin .“ Die Zahl von 1,9 Millionen Fahrzeugen im Jahr 2040, wovon bis zu 95 Prozent batterieelektrisch betrieben werden, dürfe bei der Verkehrsplanung nicht außer Acht gelassen werden.

Der Senat plant einen umfassenden Umbau des Straßenlandes. Der motorisierte Individualverkehr soll weniger Platz erhalten, dafür Rad- und Fußwege ausgebaut werden. Insgesamt sollen Radwege mit einer Länge von mehr als 800 Kilometern geschaffen werden. Ziel ist es, in allen Teilen Berlins die im Alltag wichtigen Ziele der Stadt zu verknüpfen, unter anderem Wohngebiete, Arbeits- und Bildungsstätten und Einkaufsmöglichkeiten. Viel mehr Berlinerinnen und Berliner als bislang sollen zum Umstieg vom Auto auf andere Verkehrsmittel überzeugt werden.

Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) hält deshalb an dem Ziel fest, die Zahl der Kraftfahrzeuge auf den Straßen zu verringern. „Die Mobilitätswende funktioniert nur mit deutlich weniger Autos und vor allem: mit deutlich weniger Platz, der von parkenden oder fahrenden Autos oder Lastern verbraucht wird“, sagte Jarasch der Berliner Morgenpost. „Die Zahlen der Neuzulassungen müssen runter, weil auch der Raum für Autos kleiner wird.“ Sie werde weiter Auto-Fahrspuren zu Radwegen und Busspuren umwidmen, Parkplätze zu Lieferzonen, Stellplätzen für Sharing-Mobilität oder zu grünen Oasen umwandeln. „ Berlin braucht weniger Verkehr und mehr Mobilität, das meine ich ernst und da mache ich ernst.“

Besonders stark hat in den vergangenen zehn Jahren der Lieferverkehr zugenommen. Die Zahl der zugelassenen Lastwagen stieg um 37.500 auf 112.000 Fahrzeuge. Das entspricht einer Zunahme von 50 Prozent. Bei den Pkw fiel der Zuwachs weniger stark aus. Die Zahl stieg um 115.000 auf 1,24 Millionen Autos. Tatsächlich fahren deutlich mehr Fahrzeuge auf Berlins Straßen. Neben dem Pendlerverkehr fahren auch zahlreiche Wagen in der Stadt, die zum Beispiel von Sharing- oder Mietwagenanbietern in anderen Städten zugelassen wurden, aber dauerhaft in der Stadt stationiert sind.

Trotz des Anstiegs der Zulassungszahlen ist Berlin weiter die am wenigsten motorisierte Stadt in Deutschland. In Berlin kommen auf 1000 Einwohner 382 Fahrzeuge. Im Bundesdurchschnitt sind es mit 687 deutlich mehr.

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