Wie soll das neue Quartier am Molkenmarkt aussehen? Künstlervertreter haben einen klaren Favoriten
Tagesspiegel vom 28.07.2022 von Teresa Roelcke

Der neue Molkenmarkt in der historischen Mitte Berlins soll künftig zum Kulturquartier werden. Doch wie gut eignen sich die städtebaulichen Entwürfe für Galerien, Produktionsräume und die Einbeziehung des kulturellen Umfelds? Im Ringen um die Kür eines städtebaulichen Entwurfs für den Molkenmarkt haben sich nun die beiden größten Künstlervertretungen Berlins positioniert, der Rat für die Künste und die Koalition der Freien Szene. In einer gemeinsamen Erklärung sprechen sie sich dezidiert dafür aus, den Entwurf der Büros OS arkitekter / czyborra klingbeil allen weiteren Planungen zugrunde zu legen. Aus ihrer Sicht erfülle der Entwurf die Bedürfnisse kultureller Nutzer:innen wesentlich besser.

Als Begründung führen sie an, dass der Entwurf von OS arkitekter die kulturellen Nutzungen im Quartiersinnenbereich platziere, der eine hohe Aufenthaltsqualität ermögliche und eine enge Verschränkung in Form eines „Kulturpfads“ mit der Alten Münze und der Ruine der Klosterkirche. Der Entwurf des Büros Albers / Malcovati sehe für die kulturellen Nutzungen hingegen einen Ort mit geringer Aufenthaltsqualität vor: die vom Durchgangsverkehr geprägten Randbereiche an der Grunerstraße und Stralauer Straße.

Für die kulturellen Akteure sei zudem die Flexibilität der Grundrissgestaltung, wie der Entwurf von OS arkitekter sie vorsehe, sehr wichtig: „Das Grundrisse rekonfigurierbar sind und Spielräume eröffnen, dass Gebäudebreiten eine Variabilität von Erweiterung genauso wie der Reduktion von Raumgrößen grundsätzlich erlauben und Entwürfe sich an Nutzbarkeitskriterien messen lassen müssen, halten wir für selbstverständlich.“ Galeriehäuser mit einer Breite von teils unter vier Metern, wie sie der Entwurf von Albers / Malcovati an der Parochialgasse vorsehe, seien für diese Nutzung nur extrem eingeschränkt geeignet und nicht nutzungsorientiert konzipiert.

Da kulturelle Nutzungen teilweise über begrenzte finanzielle Mittel verfügten, sei es außerdem essentiell, die Miet-, Betriebs- und daher auch die Baukosten möglichst gering zu halten. Daher seien die teilweise sehr schmalen Häuser, wie der Entwurf von Albers / Malcovati sie vorsehe, aus ihrer Sicht ein Problem.

Dass der Rat für die Künste und die Koalition der Freien Szene gemeinsam eine Erklärung zu städtebaulichen Fragen abgeben, ist ungewöhnlich. Christophe Knoch, Mitglied der AG Alte Münze von der Koalition der Freien Szene, begründet diesen Schritt dem Tagesspiegel gegenüber mit der hohen Relevanz des neuen Quartiers: „Angeblich sind etwa ein Drittel der nutzbaren Flächen für Kunst und kulturelle Produktion vorgesehen. Aber dass die potentiellen Nutzer in die Entwicklung mit einbezogen werden, das scheint noch nicht passiert zu sein.“ Daher habe man nun Kriterien formuliert und veröffentlicht, die für eine kulturelle Nutzung wichtig seien.

Die Juryentscheidung für einen der beiden noch im Rennen befindlichen Entwürfe zum Molkenmarkt sollte eigentlich am 7. Juli fallen. Weil wichtige Partner nicht teilnehmen konnten, wurde die entsprechende Sitzung allerdings kurzfristig abgesagt und auf einen noch nicht genannten Termin nach den Sommerferien verschoben.

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