400.000 bezahlbare neue Wohnungen will der Bund pro Jahr. Berlin zeigt, wie das gelingen könnte
Berliner Morgenpost vom 16.08.2022 - von Isabell Jürgens

Der schlichte Wohnblock mit hellgrauer Fassade, den bodentiefen Fenstern, den fest verankerten Fahrradständern und dem ordentlich eingezäunten Müllplatz nebenan unterscheidet sich auf den ersten Blick kaum von den vielen Gebäuden, die die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften in den vergangenen Jahren überall in Berlin hochgezogen haben. Doch der Block an der Brabanter Straße in Wilmersdorf ist etwas ganz Besonderes.

Die Planungs - und Bauzeit des Gebäudes betrug rekordverdächtige 14 Monate und die Baukosten lagen bei unter 2000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche. Damit hat sich das Bauwerk einen Platz auf der Besuchsliste von Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) gesichert, die derzeit durch die Republik tourt, um Antworten auf die Frage zu finden, wie es gelingen kann, jährlich 400.000 bezahlbare Wohnungen zu errichten, darunter 100.000 Sozialwohnungen. Denn genau das hat sich die Bundesregierung vorgenommen.

Der vorfabrizierte Bau aus Beton-Modulen an der Brabanter Straße ist jedoch – zumindest zunächst – nicht für Otto-Normal-Mieter, sondern als Modulare Unterkunft für Flüchtlinge (MUF) errichtet und im Herbst 2021 bezogen worden. Das aber, so die Bundesbauministerin beim Besichtigungsrundgang durch die Unterkunft am Montag, sehe man dem Gebäude nicht an.

Schon mit seinen Briefkästen und der Klingelplatte am Eingang wirke das Gebäude wie ein ganz normaler Mietwohnungsbau – und sei als solcher auch nutzbar, wenn der Bedarf sich ändere. „Wir dürfen nicht die Fehler der 60er- und 70er-Jahre machen und Häuser bauen , denen man ansieht, dass hier Menschen mit wenig Geld wohnen“, sagt die Ministerin .

Seit 2015 hat Berlin an 53 Standorten Modulare Unterkünfte für Flüchtlinge (MUF) erstellt, von denen mehr als die Hälfte bereits fertig ist. „MUFs sind qualitativ hochwertige, massive Gebäude, die aus in der Fabrik vorproduzierten Betonmodulen auf der Baustelle errichtet werden“, erklärt der Leiter des Hochbauamtes der Berliner Senatsverwaltung, Hermann-Josef Pohlmann. Die MUFs seien mit einer normalen Lebensdauer für Neubauten konzipiert.

Gebäude haben 80 Jahre Herstellergarantie

Die Gebäude haben eine Herstellergarantie von 80 Jahren. Das gilt auch für die MUF an der Brabanter Straße, in der 185 Flüchtlinge in 41 Wohnungen unterschiedlicher Größe mit eigener Wohnküche leben. Bestandteil der Planung war zudem die Ermöglichung der Nachnutzung für den sozialen und regulären Wohnungsmarkt – etwa als Senioren- oder Studentenwohnheim.

Doch so einfach ist es dann doch nicht, bremst Hochbauamtsleiter Pohlmann zu hoch gesteckte Erwartungen. Zwar hatte der Bundestag angesichts des Krieges in der Ukraine die Änderung des §246 Baugesetzbuch ( BauGB ) beschlossen und so die unbürokratische Planung von Unterkünften für Geflüchtete, auch in Gewerbegebieten, ermöglicht. Die Sonderregelung ist bis Ende 2024 befristet. Wenn aus der Flüchtlingsunterkunft etwas anderes werden soll, so Pohlmann, müsse man dies bei den Bauaufsichtsbehörden beantragen, der Bebauungsplan entsprechend geändert werden. Ein Vorgang, der in Berlin viele Jahre dauern kann.

Pohlmann hat denn auch einige Anregungen zur Beschleunigung. Um wirklich so schnell zu bauen , wie an der Brabanter Straße, müsste das Vergaberecht so geändert werden, dass auch ein Generalübernehmer (GÜ) beauftragt werden könne, wenn es schnell gehen muss. Die EU-Richtlinien ließen dies zu, allerdings sei die nationale Praxis eine andere. „Das führt dazu, dass wir 30 einzelne Gewerke beauftragen müssen – ein enormer Planungs - und Koordinierungsaufwand, der Zeit kostet.“ Genauso regt Pohlmann an, noch einmal über Denkmalschutzauflagen und Abstandsgebote nachzudenken. An der Brabanter Straße etwa habe sich die Untere Denkmalschutzbehörde zunächst quer gestellt, weil nebenan das unter Denkmalschutz stehende Stadtbad Wilmersdorf steht. Und bei der für die Autobahnen zuständigen Behörde habe ebenfalls zeitaufwendig eine Ausnahmegenehmigung eingeholt werden müssen, weil das Haus nur 40 statt 100 Meter entfernt von der A 100 errichtet wurde. Allerdings: Die Altbauzeile in der Brabanter Straße steht noch deutlich dichter an der Autobahn.

Beim Rundgang durch das Innere des Gebäudes schaut sich die Bundesbauministerin auch die attraktive Innengestaltung an. „Die Modulbauten von heute stehen Massivbauten sowohl Innen als auch Außen schon lange in Ästhetik, Qualität und Nutzungsflexibilität in nichts mehr nach“, lobte sie die funktionale Ausstattung.

Das Thema Modulbau sei auch Bestandteil des Paktes zur Planungs - und Genehmigungsbeschleunigung, der bis Herbst 2022 zwischen Bund und Ländern verhandelt werden soll, so Geywitz weiter. Serielles Bauen entlaste den Bauprozess , mache ihn schneller und vermeide auch sehr viel Baulärm und lange Bauzeiten in den Innenstädten. Die Anregungen des Hochbauleiters, wie es noch schneller gehen könne, versprach sie in ihrem Hause zu prüfen.

Wir dürfen nicht die Fehler der 60er- und 70er-Jahre machen und Häuser bauen, denen man ansieht, dass hier Menschen mit wenig Geld wohnen.

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