Petra Kahlfeldt kritisiert überdimensionierte Verkehrswege und Berlins ungenutzte Potenziale
Berliner Morgenpost vom 29.08.2022 - dpa

Berlin muss sich nach Einschätzung von Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt verändern, um in Zeiten von Klimaschutz und Klimawandel zukunftsfähig zu bleiben. „Was es braucht, ist eine kritische Revision der bestehenden Stadt, um diese in eine nachhaltige Zukunft zu führen“, sagte die gelernte Architektin am Sonntag. Das müsse im Dialog mit der Bevölkerung geschehen.

„Wir brauchen, so wie in der bestehenden Stadt, auch im Neubau eine effiziente Flächennutzung durch kompaktes, urbanes Bauen “, erläuterte sie. „Denn der Boden ist keine vergrößerbare Ressource.“ Kahlfeldt plädierte in dem Zusammenhang für kluge und intelligente Nachverdichtungen. „Da wo große Flächenbedarfe sind, muss man höher bauen “, fügte sie hinzu. Und: „Da wo man baut , sollte man auf schon versiegelten Flächen bauen .“ Wichtig sei, sich der Stadt und ihrem baulichen Bestand zuzuwenden sowie beim Thema Stadtumbau nicht nur an neue Quartiere und Neubauvorhaben zu denken, so Kahlfeldt. Genauso wichtig ist aus ihrer Sicht, das Thema nicht allein mit der Baubrille zu betrachten.

Berlin soll eine Stadt der kurzen Wege werden

„Wir brauchen eine integrierte Entwicklung von allen städtischen Funktionen“, sagte sie. Dazu gehörten nicht nur Wohnen, sondern auch Arbeits- und Freizeitmöglichkeiten, Schulen, Kitas, Kulturangebote, Handel, Stadtgrün oder Schattenflächen. Effiziente Flächennutzung und kompaktes Bauen bedeute also, in Kiezen mit städtebaulichen und funktionalen Defiziten derartige Angebote zu schaffen – mit dem Ziel, die Aufenthalts- und damit Lebensqualität zu steigern und eine Stadt der kurzen Wege zu schaffen.

Wesentlicher Bestandteil eines solchen Umbaus sei ein ausgebauter und attraktiver öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV), der im Übrigen nur die Hälfte der Flächen brauche, die die teilweise autobahnähnlichen Straßenräume Berlins einnehmen. Kahlfeldt forderte daher den „seit Langem anstehenden“ Rückbau überdimensionierter Verkehrswege wie Straßen oder Parkplätze auf stadtverträgliche Dimensionen. So könnten einerseits Flächen entsiegelt werden, um städtische Räume für Grün- und Sickerflächen etwa für das Regenwassermanagement zu gewinnen. Andererseits könne auf ehemaligen Verkehrsflächen eine neue Bebauung in einer verbesserten Bauweise und Nutzungsmischung entstehen.

Konkret nannte Kahlfeldt etwa den Ast der Stadtautobahn 100, der zum Breitenbachplatz führt, oder die A103 in Steglitz. „Beim Rückbau der stadtzerstörenden Verkehrsräume könnten beste innerstädtische Flächenpotenziale in schöne und nachhaltige, den Stadtgrundriss ergänzende Quartiere überführt werden für Wohnungsneubau, Naherholungsflächen und gemeinwohlorientierte Nutzungen.“ Hier blieben an etlichen Stellen, darunter auch am Spittelmarkt in Mitte, viele Chancen beim Stadtumbau bislang ungenutzt liegen. „Wir haben so viele Flächen dem Verkehr geopfert“, so Kahlfeldt. Diese erzeugten Verkehre und Energieverbrauch. Zudem verstärke Asphalt die Hitze in der Stadt. „Wenn man mit offenen Augen durch Berlin geht, sieht man, was für einen Flächenfraß diese Verkehrswege bedeuten.“ Nun gelte es, sich das zurückzuholen.

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