Nach der Neubautour des Senats: Das sind die Vergabekriterien der Landesunternehmen
Berliner Morgenpost vom 27.08.2022 - von Gesa Born und Isabell Jürgens

Der Frust bei vielen Wohnungssuchenden in Berlin ist groß. In der Stadt drehen sich zwar vielerorts die Baukräne , doch die Mieten in den Neubauten der privaten Immobilienunternehmen sind häufig zu teuer fürs eigene Portemonnaie. Nach Angaben des aktuellen IBB-Wohnungsmarktberichts wurden 2021 im Neubausegment im Durchschnitt 16,62 Euro je Quadratmeter und Monat (nettokalt) verlangt. Bei den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften sind die Neubau-Mieten deutlich niedriger. Das zeigte auch die Neubautour mit der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Donnerstag. Doch nicht jeder hat die gleichen Chancen, in eine der von den sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) neu errichtete Wohnungen einziehen zu können. Darüber entscheidet gleich eine Vielzahl von Kriterien, wie eine Abfrage der Berliner Morgenpost zeigt.

Ganz allgemein gilt: Je zentraler gelegen, desto größer die Zahl der Bewerber – und entsprechend hoch die Wahrscheinlichkeit, leer auszugehen. 3000 Interessenten haben sich auf eine von 111 kommunalen Neubauwohnungen am Charlottenburger Spreeufer beworben. 1500 stehen auf der Bewerberliste für ein ebenfalls kommunales Bauprojekt mit 107 Wohnungen in Pankow. Das teilten die Geschäftsführungen der landeseigenen Wohnungsunternehmen Gewobag und Gesobau bei der Neubautour mit . „Wenn wir dagegen eine Wohnung in Stadtrandlage anbieten, kann es auch mal sein, dass wir nur drei Bewerber auf eine Einheit haben“, berichtet Gewobag-Chefin Snezana Michaelis. Ganz ähnlich sieht es bei den anderen LWU aus, auch dort ballen sich die Interessierten vor allem bei Angeboten im Innenstadtbereich.

Die Hälfte der neuen Quartiere geht an WBS-Berechtigte

„Die ganz entscheidende Frage bei allen sechs Landeseigenen ist die nach dem Wohnberechtigungsschein (WBS)“, erläutert David Eberhart, Sprecher des Verbandes Berlin -Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). Denn nur WBS-Berechtigte haben einen Anspruch auf eine geförderte Neubauwohnung. Das gilt sowohl für den Erstbezug als auch für die Wiedervermietung von geförderten Wohnungen.

Aktuell werden rund 50 Prozent der Wohnungen in kommunalen Neubauten mietpreis- und belegungsgebunden zu einer Nettokaltmiete ab 6,50 beziehungsweise 6,70 Euro je Quadratmeter und Monat vergeben . Aktuell haben rund 30 Prozent der Berliner Haushalte einen Anspruch auf eine so geförderte Wohnung nach der sogenannten Einkommensstufe WBS 140 (bis zu 16.800 Euro im Jahr für einen Einpersonenhaushalt). Bei künftigen Neubauten soll verstärkt eine zweite Förderstufe einbezogen werden, die für Menschen mit mittleren Einkommen vorgesehen ist: WBS 160 und der neue WBS 180 (bis zu 21.600 Euro jährliches Einkommen).

In dieser Stufe liegen die Anfangsmieten voraussichtlich, so die bisherige Absprache zwischen dem Senat und den Landeseigenen, zwischen 8,50 und 8,70 Euro je Quadratmeter. Im frei finanzierten, also nicht geförderten Bereich sind die Wohnungen je nach Projekt mit neun bis 15 Euro teurer, sollen im Schnitt aber bei elf Euro liegen und damit deutlich preiswerter als die meisten Neubauwohnungen sein, die private Vermieter anbieten.

Bei dem Auswahlverfahren der Interessierten für diese Wohnungen spielt zudem der Zufall eine erhebliche Rolle. So inseriert beispielsweise die Howoge alle vermietungsfähigen Wohnungen auf ihrer Homepage und den gängigen Onlineportalen, sagt deren stellvertretende Pressesprecherin Annemarie Rosenfeld: „Die Anfragen werden durch eine Software gesammelt. Im Schnitt erhalten wir 300 Online-Anfragen pro Wohnung.“ Sobald das Inserat abgelaufen sei und Besichtigungstermine feststünden, wählt die Howoge in der Regel zehn Online-Anfragen über ein automatisiertes Zufallsverfahren aus.

Die so ausgewählten Bewerbungen erhielten dann eine Einladung zur Besichtigung. Wenn danach weiterhin Interesse bestehe, würden noch weitere Angaben benötigt, so Rosenfeld – etwa zur Haushaltsgröße und zum Haushaltseinkommen. „Diese Daten werden mit den speziellen Gegebenheiten der Wohnung abgeglichen.“ Sofern alles passe, würden im nächsten Schritt die Unterlagen der Interessenten angefordert und geprüft.

Sollten im letzten Schritt, also nach Besichtigung, Datenauswertung und Dokumentenprüfung, noch mehrere Haushalte im Rennen sein, die gleichermaßen geeignet sind, dann entscheide das Los, sagt Rosenfeld – „um ohne Ansehen von ethnischer Herkunft, Religion, Geschlecht, Alter oder sexueller Identität die Wohnung zu vergeben“.

Um der hohen Zahl an Wohnungsinteressenten Herr zu werden, hat die Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land, die ebenfalls überwiegend über digitale Vertriebswege und Online-Portale inseriert, bereits systemisch eine maximale Bewerberzahl pro Wohnung definiert. Den gesamten Vergabeprozess regelten interne „Wohnungsvergabe- und Compliance-Richtlinien“, teilt die stellvertretende Pressesprecherin Anja Libramm mit. Hier bestünden Regeln mit Blick auf Quoteneinhaltung für besondere Bedarfsgruppen, Förderbestimmungen und darüber hinaus gehende Belegungsrechte.

Die Berliner Morgenpost im Internet: www.morgenpost.de