Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben begründet höhere Ausgaben mit „marktbedingten Kostensteigerungen“. Projekt wird zudem später fertig.
Berliner-Zeitung vom 13.09.2022 von Ulrich Paul

Der geplante Bau des Elisabeth-Selbert-Hauses des Deutschen Bundestags wird immer teurer. Die Kosten für den Neubau an der Straße Unter den Linden, Ecke Schadowstraße in Mitte steigen um weitere rund 16 Millionen Euro auf 89,2 Millionen Euro. Das teilte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) auf Anfrage der Berliner Zeitung mit und bestätigte damit Angaben des Bundes der Steuerzahler.

Ursprünglich waren nach Recherchen des Steuerzahlerbundes rund 28 Millionen Euro für den Neubau im Bundeshaushalt vorgesehen. Zwischenzeitlich waren die Kosten aber bereits auf rund 73 Millionen Euro gestiegen, inklusive dem Abriss des Vorgängerbaus, der von 1962 bis 1964 errichtet wurde.

„Haushaltsmäßig sind nunmehr Gesamtkosten in Höhe von 89,2 Millionen Euro für den Rückbau des Kellergeschosses und den Neubau anerkannt“, räumte ein Sprecher der BImA ein. Rund 75 Prozent der Mehrkosten beruhten „auf marktbedingten Kostensteigerungen“, sagte er, ohne Einzelheiten zu nennen. Weitere Kostensteigerungen ergäben sich „vor allem aus Risiken wegen des schwierigen Baugrunds “, so der Sprecher. Letzteres sei auch der Hauptgrund für die Terminverschiebung. Statt im Jahr 2024, wie ursprünglich geplant, soll der Neubau nun erst 2026 fertig werden.

Kritik vom Bund der Steuerzahler

Bauen birgt immer Risiken“, sagt der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel. „Deshalb ist es umso wichtiger, den Baugrund von Anfang an gründlich zu untersuchen.“ Denn wenn der Zeitplan erst gerissen werde, dann werde der Bau „fast zwangsläufig“ teurer. Holznagel: „Zudem zeigt sich am Selbert-Haus beispielhaft, was passiert, wenn die Mittel im Haushalt eingestellt werden, bevor die Planungen hinreichend konkret sind: Die tatsächlichen Kosten steigen im Laufe des Projekts immer weiter an.“

Das Elisabeth-Selbert-Haus soll nach Plänen des Architekturbüros kleyer.koblitz.letzel.freivogel entstehen. Die Berliner Architekten haben im Jahr 2018 den Wettbewerb für das Projekt gewonnen. Ihr Entwurf sieht den Bau eines sechsgeschossigen Riegels entlang der Straße Unter den Linden vor. An der Schadowstraße soll ein fünfgeschossiger Baukörper entstehen.

Mit dem Namen des Hauses erinnert der Bundestag an die SPD-Politikerin Martha Elisabeth Selbert (1896–1986). Sie war im Parlamentarischen Rat 1948/49 als eine von vier Frauen an der Ausarbeitung des Grundgesetzes beteiligt. Selbert wird zugeschrieben, maßgeblich dafür gesorgt zu haben, dass die Gleichberechtigung in den Grundrechteteil der bundesdeutschen Verfassung aufgenommen wurde.

Name erinnert an Frau, die sich für Gleichberechtigung einsetzte.
Ihr Antrag, die Formulierung „Frauen und Männer sind gleichberechtigt“ ins Grundgesetz aufzunehmen, war vom Hauptausschuss des Parlamentarischen Rates zwar zunächst abgelehnt worden. Daraufhin wandte sich Selbert aber an Presse und Öffentlichkeit, wie aus einer Biografie der Politikerin auf der Internetseite des Lebendigen Museums Online (LeMO) hervorgeht. Die Folge war ein Beschwerdenansturm von Frauen beim Parlamentarischen Rat, der schließlich dem öffentlichen Druck nachgab und am 18. Januar 1949 den Gleichheitsgrundsatz als unveräußerliches Grundrecht in die Verfassung aufnahm.

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Rund 200 Büros für den Bundestag sind im Elisabeth-Selbert-Haus geplant. Auch die Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung soll in dem Gebäude unterkommen. Die Planung weist rund 12.670 Quadratmeter Brutto-Grundfläche für den Neubau aus. Die reine Nutzfläche des Gebäudes beläuft sich laut BImA auf circa 6300 Quadratmeter. Die Büros werden nach Angaben der BImA rund 18 Quadratmeter groß und bis auf wenige Ausnahmen mit je zwei Arbeitsplätzen belegt.

Einsparungen bei Raumprogramm und Ausstattung gibt es offenbar nicht. „Eine Reduktion des Raumprogramms wurde nicht vorgenommen“, teilte die BImA jedenfalls auf eine Frage dazu mit und ergänzte: Die Ausstattung ergebe sich aus den Anforderungen, die an ein Gebäude des Deutschen Bundestages gestellt werden. Dazu zählten unter anderem „Sicherheitsbelange“. Diese könnten „nicht ohne Weiteres reduziert werden, ohne die vorgegebene Funktionalität des Gebäudes zu beeinträchtigen“. Die Planung richte sich insgesamt nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit. Dazu zähle auch, das „wertvolle Grundstück bestmöglich auszunutzen“.

Bauaufträge sollen im nächsten Jahr vergeben werden

Der Vorgängerbau aus der DDR-Zeit wurde bereits abgerissen. Inzwischen sind die Entwurfs- und Genehmigungsplanung für den Neubau nach Angaben des BImA-Sprechers abgeschlossen, der Bauantrag wurde eingereicht. Die Vergabe der Bauaufträge soll 2023 abgeschlossen werden. Dann sollen die Bauarbeiten beginnen.

Bei der Energieversorgung setzt der Bundestag auf Unabhängigkeit. Die Stromversorgung soll über eine im selben Straßenblock liegende bundestagseigene Energiezentrale erfolgen. Zudem ist geplant, dass eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach Strom produziert. Mit Wärme soll das Haus zum größten Teil über Geothermie mittels Wärmepumpen versorgt werden. Für Spitzenlasten soll zusätzlich Fernwärme genutzt werden. „Das Gebäude wird nicht mit Gas beheizt“, so der BImA-Sprecher.

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