Nach neun Stunden Sitzung ernennt das Preisgericht keinen Sieger für den Molkenmarkt. Zwischen Jurymitgliedern und Senatsbaudirektorin herrschte Uneinigkeit.
Der Tagesspiegel vom 13.09.2022

Nach einer neunstündigen Sitzung hat das Preisgericht am Dienstag zum Berliner Molkenmarkt entschieden, dass es zu keiner Entscheidung fähig ist: Keiner der beiden städtebaulichen Entwürfe – weder der des Büros Albers/Malcovati noch der des Kopenhagener Architekturbüros OS arkitekter gemeinsam mit dem Berliner Czyborra Klingbeil (cka) – ist nach den etlichen Überarbeitungen im mehrmonatigen Werkstattverfahren zum Sieger ernannt worden.

Wie der Tagesspiegel aus dem Umfeld der Jury erfuhr, habe es unüberbrückbare Gräben gegeben zwischen der Mehrheit der Jurymitglieder, die zum Entwurf von OS arkitekter/cka tendiert hätten, und Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt , die keinen der Entwürfe für eine Realisierung empfehlen wolle, da beide Entwürfe aus ihrer Sicht zu viel Grünflächen beinhalteten würden und sie die Skelettbauweise nicht wünsche.

Rahmenplan und Empfehlungen statt klarem Votum

Ein hoher Anteil an Grün im neuen Stadtteil war allerdings genauso Auslobungskriterium gewesen wie eine flexible Nutzbarkeit der Gebäude, was eine Skelettbauweise ermöglicht. Die Büros OS arkitekter/cka hatten beides von Vornherein stark in ihrem Entwurf berücksichtigt. Der Entwurf des Büros Albers/Malcovati hatte diese Anforderungen durch die verschiedenen Werkstatttermine hindurch immer weiter eingearbeitet.

Auch wenn die Auslobung eindeutig vorgesehen hatte, dass einer der beiden Entwürfe in der finalen Jurysitzung „als Grundlage einer Charta für die Entwicklung am Molkenmarkt “ empfohlen werden sollte, konnte sich das Preisgericht nun offenbar nicht entscheiden. Stattdessen wurden nach Tagesspiegel-Informationen allgemein gehaltene Empfehlungen formuliert, die nun die Grundlage für die Charta Molkenmarkt bilden sollen. Diese Empfehlungen werden voraussichtlich am Mittwochvormittag in einer Pressekonferenz vorgestellt. Außerdem soll es einen Rahmenplan für die Entwicklung des neuen Stadtviertels geben, der wohl von der Senatsverwaltung erarbeitet wird.

Der Jurysitzung war eine längere öffentliche Debatte und ein Tauziehen im Hintergrund vorausgegangen. Die finale Jurysitzung selbst sollte eigentlich schon im Juli stattfinden, wurde aber kurzfristig abgesagt. Am Montagabend dieser Woche fand bereits ein virtueller Bürgerabend statt, bei dem die interessierte Öffentlichkeit über die Veränderungen nach den neuerlichen Überarbeitungen durch die Planungsteams informiert wurde und über ein Online-Tool kurze Anmerkungen zu den beiden Entwürfen an die Jury senden konnte.

Auch darum, wer die Charta Molkenmarkt beschließen soll, wird weiter gerungen. Wie berichtet hatte Manfred Kühne, Abteilungsleiter Wohnungsbau und Projekte der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, in einem wissenschaftlichen Kolloquium am 8. Oktober vergangenen Jahres angekündigt, dass das Abgeordnetenhaus die Charta beschließen werde.

Auf Anfrage der Linksfraktion behauptete Stadtentwicklunssenator Andreas Geisel (SPD) allerdings am Montagmorgen im Stadtentwicklungsausschuss: „Wir haben keine Unterlagen gefunden, die je eine Absicht haben vermuten lassen, das Abgeordnetenhaus über die Charta Molkenmarkt abstimmen zu lassen.“ Die Entscheidung stamme noch aus der letzten Legislaturperiode, als die Stadtentwicklungsverwaltung noch von den Linken geführt wurde. Die Zukunft am Molkenmarkt ist im Moment also vor allem eines: offen.

Der Tagesspiegel im Internet: www.tagesspiegel.de