Molkenmarkt
Berliner Zeitung vom 16.09.2022 von Ulrich Paul

Die Umgestaltung des Molkenmarkts in Berlins historischem Zentrum gilt zu Recht als eine der großen Zukunftsaufgaben Berlins. Dort, wo bislang eine Verkehrsschneise durch die Stadt verlief, sollen die überbreiten Straßen auf ein normales Maß reduziert werden. Auf den frei werdenden Flächen will Berlin ein nachhaltiges Stadtquartier mit bezahlbaren Wohnungen errichten und zugleich an die Geschichte des Ortes erinnern, indem archäologische Funde sichtbar gemacht werden. Klingt gut.

Auf dem Weg zu einem Vorzeigeprojekt hat sich die Berliner Stadtplanung nun aber blamiert, weil das sogenannte Werkstattverfahren zur Neugestaltung des Quartiers, für das sich zwei Planerteams aufwendig qualifiziert hatten, ein unerfreuliches Ende genommen hat. Anders als im Auslobungstext angekündigt, stand am Schluss des Verfahrens nämlich keine Empfehlung des Preisgerichts für einen der beiden Entwürfe als Grundlage einer Charta für die Entwicklung am Molkenmarkt. Stattdessen versuchten Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt und die Jury-Vorsitzende Christa Reicher den Eindruck zu erwecken, als wenn niemals geplant gewesen sei, einen Sieger zu küren.

Fatal ist der Vorgang, weil die Bekundungen der Senatsbaudirektorin zu dem Verfahren wenig überzeugend sind. Es drängt sich der Eindruck auf, als wenn hier aus bestimmten Erwägungen kein Sieger gekürt werden sollte – ohne die Gründe offen zu nennen. Das Vertrauen in ein faires Verfahren wird so zerstört. Wenig vertrauenerweckend ist, wenn die Charta Molkenmarkt, die die Grundlage für die Gestaltung des Quartiers sein soll, von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ohne Beteiligung des Parlaments erarbeitet werden soll. Das ist Stadtplanung von oben, also von gestern. Die Stadt der Zukunft geht anders.

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