Historische Rekonstruktion des Schinkel- Baus soll über Gestaltungsverordnung durchgesetzt werden.
Tagesspiegel vom 17.09.2022 von Reinhart Bünger

Berlin schiebt allen Überlegungen, die Schinkelsche Bauakademie könne als zeitgenössischer Neubau an der alten Stelle errichtet werden, einen Riegel vor. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat den Entwurf einer „Verordnung über die äußere Gestaltung der wiederzuerrichtenden von Karl Friedrich Schinkel erbauten Bauakademie am Schinkelplatz 1 in Berlin Mitte, Ortsteil Mitte“ erarbeiten lassen, die eine historische Rekonstruktion zwingend vorschreibt. Damit sind Varianten, die auch in der Bundesstiftung Bauakademie diskutiert werden – wie die eines Hybridbaus –, mit Blick auf die Fassadengestaltung gegenstandslos geworden. Der Entwurf liegt dem Tagesspiegel in seiner Fassung vom 11. August vor.

Das Gelände der Bauakademie liegt zwischen Außenministerium, „Einheitswippe“ und Humboldt Forum, dessen letzte Teilöffnung am heutigen Sonnabend vollzogen wird. Im November 2021 hatten das Land Berlin und der Bund für die Bundesstiftung Bauakademie einen Kaufvertrag über das Grundstück abgeschlossen; Anfang September 2022 erfolgte die Übergabe an den Bund, bzw. an die Bundesstiftung Bauakademie. Die Planungshoheit liegt indes in Berlin; die Gestaltungsverordnung legt nun eine der Grundlagen für einen Bebauungsplan.

Der Gründungsdirektor der Bundesstiftung Bauakademie , Guido Spars, hatte dem Tagesspiegel in seinem ersten Interview in der neuen Funktion Ende Oktober des vergangenen Jahres gesagt: „Eine Rekonstruktion ist nicht ausgeschlossen, ein hybrides Gebäude, wie das Schloss eines ist, auch nicht, weil der Weg derzeit ja noch völlig offen ist.“ Den Weg weisen sollte ein „Thinktank Wettbewerb“ – verstanden als ein interdisziplinäres Gremium aus Expertinnen und Experten, welches in Workshops die internen und externen Anforderungen an das Gebäude aufeinander bezogen auf der Höhe der Zeit diskutieren soll. Mit Blick auf die äußere Erscheinung des neuen – alten – Gebäudes können die Diskussionen nun weitgehend eingestellt werden. Berlin wünscht eine Replik nach den alten Plänen. „Lage, Volumen sowie die Profilierung sämtlicher von außen sichtbarer Bauteile haben den von Karl Friedrich Schinkel für das Gebäude der Bauakademie (damals „Neue Bauschule “) erstellten Gesamt- und Detailplänen gemäß den Anlagen 1-9 (Zeichnungen nach Entwurf von Karl Friedrich Schinkel) weitestgehend zu entsprechen“, heißt es in der vorbereiteten Gestaltungsverordnung.

Die Bauakademie wurde von 1832 bis 1836 erbaut und gilt als ein früher Ursprungsbau der Moderne, das „erste maßgebliche profane Rohziegelgebäude in Preußen“ (Hermann Parzinger, Präsident die Berliner Stiftung Preußischer Kulturbesitz). „Gerade heute wird Schinkels historische Bauakademie mit Recht als Monument in gutem Sinn beurteilt – in vielerlei Hinsicht“, schreibt Stefanie Endlich, Honorarprofessorin für Kunst im öffentlichen Raum an der Universität der Künste Berlin , „als Solitär und zugleich als Bindeglied zwischen den anderen Großbauten und Ensembles im Umfeld, mit kühn-moderner Konstruktion, subtilen Bezügen zu früheren Bauformen , baukünstlerischer Fassadengestaltung und komplexem Nutzungsprogramm.“ Der Bauakademie folgten weltweit viele Epigonen.

Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt (SPD) stellte die auf diesem gedanklichen Überbau basierende Gestaltungsverordnung den verdutzten Mitgliedern des „Thinktank Wettbewerb“ in einer Sitzung am 5. September vor, die in einer weiteren Sitzung am 15. September nach einer juristischen Prüfung in Detailfragen noch einmal überarbeitet wurde. Anwesend war Anfang September – zeitweise – auch der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen , Sören Bartol (SPD). Er hofft in einem Schreiben „an die Expertinnen und Experten“ des Thinktanks „Wettbewerb“ am Mittwoch, dass die Gestaltungsverordnung nicht das letzte Wort Berlins ist: „Angesichts der unmittelbaren Betroffenheit und Bedeutung für die Bundesstiftung Bauakademie und den durch den Bund geförderten Wiederaufbau bemühen wir uns intensiv um eine konstruktive Kommunikation mit dem Land Berlin “, schreibt Bartol zum Vorpreschen der Hauptstadt.

Inhaltlich ist die Rekonstruktion umstritten. Bereits um die Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses gab und gibt es lang anhaltende Debatten.

Berlins Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) hatte den Entwurf der Gestaltungsverordnung bereits am 15. August im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen vorgestellt – namentlich bei Ministerin Klara Geywitz (SPD). „Dies wurde jedoch nicht inhaltlich erörtert“, erinnert sich Geywitz Parlamentarischer Staatssekretär Bartol. Die beteiligte Senatsverwaltung sieht die Festsetzung der Verordnung durch Geisel auf der Zeitschiene „Anfang/Mitte November 2022“.

„Eine authentisch rekonstruierte Bauakademie bei Berücksichtigung aktueller Vorschriften und nutzungsbedingter Anpassungen, die es auch in der Vergangenheit gab, ist keine langweilige „Kopie”, kein „Fake”, wie behauptet wird“, schrieben im Februar unisono die Vereine Berliner Historische Mitte , Förderverein Bauakademie , Forum Stadtbild Berlin , Planungsgruppe Stadtkern im Bürgerforum Berlin und Stadtbild Deutschland, Ortsverband Berlin . Rekonstruktionen seien Beiträge zur Bewahrung der Baukultur. „Dabei ist es nicht entscheidend, ob noch Originalmaterial vorhanden ist, das man verbauen kann. Selbst der Kölner Dom besteht dank ständiger Reparaturen mittlerweile fast nur noch aus neuen Steinen. Entscheidend ist bei Rekonstruktionen vielmehr die Einhaltung der originalen Pläne des Erbauers“, heißt es in dem gemeinsamen Aufruf. Die Befürworter einer detailgetreuen Rekonstruktion berufen sich auf die Einzigartigkeit der Schinkelschen Bauakademie - Fassade, die allein schon aus diesem Grund nicht neu erfunden werden müsse. Architekten bliebe im Inneren des Gebäudes noch ausreichend Raum sich zu verausgaben. Die Frage, wie Schinkel heute bauen würde – und ob sich aus möglichen Antworten sogar Gestaltungskriterien ableiten ließen – ist zweifellos spekulativ. 62 Millionen Euro hat der Bund für die Rekonstruktion eingeplant. Die Frage, ob der Bau durch Vorgaben Berlins nun teurer wird, ist akademisch und angesichts aktueller Krisen ohnehin schwer zu beantworten. Klar ist, dass nicht allein eine Fassade zu errichten ist, sondern das gesamte Gebäude.

Gedanken der Kreislaufwirtschaft im neuen Altbau umzusetzen dürften herausfordernd werden: „Alle Materialien der äußeren Fassaden haben den von Karl Friedrich Schinkel letztgültigen Planungsstand für das Gebäude der Bauakademie vorgegebenen Materialien zu entsprechen. Die Materialien der äußeren Fassaden sind anhand von vorhandenen originalen Fassadenteilen der äußeren Hülle zu bestimmen“, heißt es in der Entwurfsfassung der Verordnung. Berlin hält es für zwingend, nach der Umgestaltung des Lustgartens, der Rekonstruktion der Alten Kommandantur, der Rekonstruktion des Schinkelplatzes und dem Neubau des Humboldt Forum mit einer wiedererrichteten Schinkelschen Bauakademie den „städtebaulichen Schlussstein“ zu setzen.

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