An der Wilhelmstraße steht Bauland in Toplage zum Verkauf. Das Land will das Potenzial für kommunalen Wohnungsbau prüfen
Tagesspiegel vom 27.09.2022 von Ralf Schönball

Nach Bekanntwerden des Verkaufs einer der begehrtesten Bauflächen für Wohnhäuser unweit des Brandenburger Tores hat Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) angekündigt, einen Ankauf durch das Land Berlin prüfen zu wollen. Im Berliner Abgeordnetenhaus erklärte Geisel am Montag, dass er sich, sollte sich der Verkauf des Grundstücks bestätigen, mit Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) zusammensetzen und den Fall erörtern werde. Zwar zahle das Land keine spekulativen Preise, erklärte Geisel, fügte aber hinzu, dass er kommunalen Wohnungsbau am Brandenburger Tor im Kern befürworten würde.

Konkret geht es um das Grundstück Wilhelmstraße Ecke Behrenstraße, ein Baugrundstück in zentraler Lage unweit des Hotels Adlon und der Britischen Botschaft. Der ins Trudeln geratene Immobilienkonzern Adler/Consus, der auch Eigentümer des Steglitzer Kreisels ist, bestätigte auf Tagesspiegel-Anfrage, dass das Grundstück zum Verkauf stehe. Wo heute eine Grube gähnt, standen unter den Hausnummern 56 und 58 bis vor wenigen Jahren noch DDR-Plattenbauten.

Nach deren Abriss ist in den vergangenen Jahren nicht viel passiert: Die Baugrube ist ausgehoben und Beton im Untergrund vergossen. Das sonst übliche Bauschild mit dem Namen des Projektes und den dafür Verantwortlichen ist nicht zu finden.

„Das Projekt, The Wilhelm‘ befindet sich im Besitz der Adler Group. Für das Projekt ist ein Verkauf vor der Fertigstellung vorgesehen“, sagte Adler-Sprecher Matteo Twerenbold. Details zu dem angebotenen Bauland, dem Verkaufspreis oder dem Stand der Arbeiten nannte er nicht.

Für das Grundstück gibt es Entwürfe des Architektenbüros Patzschke & Partner, das auch das Hotel Adlon am benachbarten Pariser Platz entworfen hatte. Demnach sollte ein Neubau mit 28.000 Quadratmetern entstehen, einem doppelgeschossigen Sockel, vier Etagen und zwei weitere zurückgesetzte „Staffelgeschosse“ auf dem Dach. Auf der Website der Architekten ist die „Fertigstellung“ mit dem Jahr 2018 angegeben – nach anderen Werbetexten zu dem Vorhaben soll das Haus 2023 stehen.

Daraus wird nichts, da das Vorhaben unvollendet ist und so auch verkauft werden soll. Nach den bisherigen Plänen hätten 165 Wohnungen entstehen sollen, geplant waren auch Penthouses mit mehreren hundert Quadratmetern Wohnfläche. Vermarktet wurden diese als die „exklusivsten und teuersten Wohnungen der Hauptstadt“.

Der Bebauungsplan wurde für unwirksam erklärt, das Grundstück und eventuelle Baugenehmigungen unterliegen nicht mehr dem Entwicklungsrecht, so dass nun allein der Bezirk Mitte zuständig ist“, sagte Martin Pallgen, Sprecher der Senatsbauverwaltung.

„Das ist eine echte Chance“, sagte Katalin Gennburg, Sprecherin für Stadtentwicklung der Linken-Fraktion, zu dem spektakulären Angebot auf dem Wohnungsmarkt. Und weiter: „Jetzt sollte Berlin eine Vorkaufsrechtsverordnung nach Paragraf 25 Baugesetzbuch erlassen und so das Grundstück zurückholen und Sozialwohnungen hier bauen “. Die bisherigen Pläne für den Bau von „Luxuswohnungen und Penthouses“ lehnt sie ab. „Die Koalition hat den Neubau von bezahlbaren Wohnungen gerade in der Innenstadt beschlossen, hier besteht die Chance das nun umzusetzen“.

Einfach wird es allerdings nicht für den Senat, an die Baufläche heranzukommen. Vorkaufsrechte, die etwa aus Erhaltungssatzungen in Sanierungsgebieten gerechtfertigt sind, kann Berlin hier nicht nutzen, weil das Grundstück nicht in einem entsprechenden „Verordnungsgebiet“ liegt. Allerdings käme eine Anwendung des Vorkaufsrechtes nach Paragraf 25 Baugesetzbuch infrage, bestätigt Pallgen.

Dazu müsse eine „Vorkaufsrechtsverordnung“ erlassen werden. Dies sei Angelegenheit des Bezirks. Das Land Berlin sei abseits der Frage von Vorkaufsrechten grundsätzlich an Grundstücksankäufen für den Wohnungsbau interessiert, werde aber keine spekulativen Preise zahlen, sagte Pallgen.

Ein Verkauf der Baufläche wird auch wegen der Rezession am Immobilienmarkt schwierig: Weil die Kosten von Krediten, Baustoffen und Handwerkerleistungen seit Anfang des Jahres drastisch gestiegen sind, will Umfragen des Kredithauses BerlinHyp zufolge eine große Mehrheit der Investoren Bauvorhaben aufgeben oder zurückstellen. Und wegen der höheren Finanzierungs- und Baupreise sind teure Grundstücke schwerer zu verkaufen als in den vergangenen Jahren. Zumal nicht wenige Branchenkenner damit rechnen, dass die Preise für Grundbesitz stagnieren oder sogar fallen werden. (Mitarbeit: Robert Kiesel)

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