Die „Stiftung Mitte Berlin “ legt zurecht einen Finger in eine offene architektonische Wunde der Hauptstadt, meint Isabell Jürgens.
Morgenpost vom 01.10.2022 von Isabell Jürgens

 

Wenn sich eine reiche Unternehmerin, die sich zuletzt mit Büchern wie „Kampfplatz Liebe: Wie viel Gleichberechtigung verträgt die Partnerschaft?“ vornehmlich zu Geschlechterfragen äußerte, in die äußerst kontrovers geführte Debatte über die Gestaltung der Berliner Mitte einschaltet, bleibt Hohn und Empörung nicht aus.

In den Sozialen Medien und in Architektenkreisen wird die von Marie-Luise Schwarz-Schilling gegründete „Stiftung Mitte Berlin “ jedenfalls ordentlich abgewatscht: Da ist von „Stadtentwicklung nach Gutsherrenart“ und naiver Nostalgie die Rede. 

Man muss den Wunsch nicht teilen, der mehr als 700-jährige Gründungsort Berlins möge wieder mehr von seiner Historie erkennen lassen. Doch es ist nicht von der Hand zu weisen, dass drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall zwischen Spreekanal und Alexanderplatz, zwischen Molkenmarkt und Fischerinsel trotz zahlreicher Bürgerbeteiligungs-, Workshop- und Wettbewerbsrunden noch immer viele Fragen ungeklärt sind.

In Berlins historischer Mitte ist ein erneutes Nachdenken erforderlich

Erst vor zwei Wochen hat Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt verkündet, dass der aufwendige Wettbewerb zur Gestaltung des Molkenmarktes ohne endgültiges Ergebnis bleibt.

Die Stiftung legt zurecht einen Finger in die offene Wunde, wenn sie darauf hinweist, dass in Berlins historischer Mitte ein erneutes Nachdenken erforderlich ist. Die vermeintlich fortschrittliche Planerszene der Stadt sollte den Wunsch nach einer Altstadt mit möglichst vielen Plätzen und Gebäuden aus der Zeit vor 1933 lieber respektieren anstatt sie als anachronistisch zu diffamieren.
Zumindest so lange, bis sie mit besseren Ideen überzeugen kann. Bislang ist das jedoch noch nicht gelungen.  

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