Morgenpost vom 19.10.2022 von Isabell Jürgens
Der von der Bundesstiftung eingesetzte Thinktank spricht sich gegen eine Rekonstruktion aus. Das sind die Gründe.

Vor sechs Jahren hat der Deutsche Bundestag beschlossen, 62 Millionen Euro für den Wiederaufbau der Schinkelschen Bauakademie in Mitte freizugegeben. Ob die Summe angesichts von Inflation und Baukostenentwicklung inzwischen noch realistisch ist, darf man getrost in Frage stellen. Ein Jahr nachdem Guido Spars, Gründungsdirektor der Stiftung Bauakademie , erste Überlegungen für das Projekt präsentierte, ist zudem eine ganz entscheidende Frage noch immer nicht geklärt: Wie viel Schinkel in dem neu zu errichtenden Gebäude eigentlich zu erkennen sein soll.

Am Mittwoch präsentierte Spars die Ergebnisse eines von ihm einberufenen „Thinktanks“, einer Denkfabrik, die Anforderungen an das neu zu errichtende Gebäude formuliert hat. Diese Anforderungen sollen in die Auslobung des Realisierungswettbewerbs einfließen, der nach Angaben Spars im Frühjahr kommenden Jahres starten soll. Das neue Gebäude der Bauakademie in der historischen Mitte Berlins soll demnach ein herausragendes Beispiel für Innovationskraft sowie ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit im Bauwesen werden.

„Die Bundesstiftung Bauakademie ist als Bauherrin und Nutzerin der Bauakademie einer ganzheitlichen, nachhaltigen Planung und Bauweise verpflichtet. Im Sinne Schinkels wird diese Zukunftsgewandtheit am neuen Gebäude der Bauakademie auch ablesbar sein.“ Mit diesem Anspruch allerdings ist eine Rekonstruktion des Gebäudes, die viele Bürgervereine seit Jahren fordern, ausgeschlossen. Die DDR-Regierung hatte das Gebäude 1962 abreißen lassen , um Platz zu schaffen für die neuen Regierungsbauten.

„Schinkel würde sich im Grabe umdrehen, wenn man ihn rekonstruiert“

Da bestehe, räumte Spars ein, ein gewisser Zielkonflikt. Den bekräftigten denn auch die Mitglieder des von ihm eingesetzte Gremiums. „Eine vollständige Rekonstruktion steht am wenigsten für die Zukunft des Bauens “, stellte Architekturprofessorin Anja Rosen, an der Bergischen Universität Wuppertal Expertin für Rückbau- und Recyclingfreundlichkeit, klar. Und der Berliner Architekturprofessor Eike Roswag-Klinge, der das Natural Building Lab der Technische Universität Berlin leitet, ergänzte: „Schinkel würde sich im Grabe umdrehen, wenn man ihn rekonstruiert.“

Die Bundesstiftung habe das Thinktank-Format gewählt, um in einem moderierten Abwägungsprozess den zum Teil divergierenden Ansprüchen an Rekonstruktion, Nachhaltigkeit und Innovationskraft gerecht werden zu können, beschrieb Spars den Prozess. Zudem habe parallel zum Experten-Gremium im September und Oktober an zwei Tagen eine Bürgerwerkstatt stattgefunden, deren Ergebnisse wiederum im Thinktank vorgestellt wurden.

Im nächsten Schritt, so Spars weiter, werde aus dem Thinktank heraus ein Folge-Gremium gebildet, das Handlungsempfehlungen für den Realisierungswettbewerb formuliert. Diese würden dem Stiftungsrat im Dezember 2022 vorgestellt. Nach Zustimmung des Stiftungsrats könne der Wettbewerb dann im Frühjahr 2023 starten. „Ziel ist es, eine Wettbewerbsauslobung zu erarbeiten, mit der sich alle Beteiligten einverstanden erklären“, betonte Spars.

Land Berlin wünscht sich eine historische Fassade

Das dürfte schwierig werden, denn das Land Berlin setzt andere Prioritäten. „Lage, Volumen sowie die Profilierung sämtlicher von außen sichtbarer Bauteile haben den von Karl Friedrich Schinkel für das Gebäude der Bauakademie erstellten Gesamt- und Detailplänen weitestgehend zu entsprechen“, heißt es dazu es in einer von der Berliner Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt erarbeiteten Papier. Die Senatsbaudirektorin ist Mitglied des Stiftungsrats und ebenfalls Mitglied des Thinktanks.

Das Papier sei von der Senatsbaudirektorin in den Arbeitsprozess des Thinktanks eingebracht worden, sagte Martin Pallgen, Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf Nachfrage der Berliner Morgenpost am Mittwoch. Es handele sich dabei aber um ein reines Arbeitspapier und mache keine Bauvorschriften : „Wir sind nicht der Bauherr , sondern der Bund“, so Pallgen weiter. Das Land Berlin möchte, dass die Bauakademie auf den historischen Kontext des Ortes Bezug nehme. „Deswegen unterstützen wir die Wiederherstellung der historischen Fassade“, so Pallgen. Gemeinsam mit dem Bund werde man diese Position im Auslobungstext erarbeiten. Letztlich sei es nicht der Thinktank, der über den Auslobungstext entscheide, sondern der Bund und die Stiftung.

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