Tagesspiegel vom 19.10.2022
Wenn es nach dem vorbereitenden Expertengremium geht, soll das neue Gebäude vor allem eins werden: klimapositiv. Das dürfte der Senatsbaudirektion nicht gefallen.

Ein „Demonstrationsprojekt für die Zukunft des Bauens” soll sie werden, die neue Bauakademie am Schinkelplatz in Berlin . Das jedenfalls ist das Ergebnis des „Thinktank Wettbewerb“, das die Bundesstiftung Bauakademie am Mittwochvormittag vorgestellt hat. Der „Thinktank Wettbewerb“ ist ein interdisziplinäres Expertengremium zur Vorbereitung des Wettbewerbs für die konkrete Ausgestaltung des neuen Gebäudes der Bauakademie .

„Wir wollen innovativ sein und der Innovationsoffenheit helfen”, sagte der Gründungsdirektor der Stiftung, Guido Spars. „Wir haben sehr große Herausforderungen im Bereich Bauen : Die globale Baubranche verursacht 40 Prozent der CO2-Emissionen, das deutsche Bauwesen führt zu 53 Prozent des Abfallaufkommens. Das sind alles Dinge, die können in Zukunft nicht so bleiben.“ Die Bundesstiftung Bauakademie verstehe sich als Katalysator im notwendigen Transformationsprozess – was auch das neue Gebäude zum Ausdruck bringen soll.

Der „Thinktank Wettbewerb” empfiehlt daher Klimapositivität als zentrale Botschaft für das Haus. Sowohl Errichtung als auch Betrieb sollen sich an der Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels orientieren. Bisher sei häufig nur auf die Klimabilanz des Betriebs, nicht aber des Baus geschaut worden.

Nachhaltige Baumaterialien, bescheidener Ausbaustandard

Erreicht werden soll dieses Ziel nach Vorstellung des Gremiums durch den Einsatz von regionalen, regenerativen oder recycelten Baumaterialien, durch möglichst wenig Gebäudetechnik, Bescheidenheit im Ausbaustandard und eine flexible Raumstruktur, die sich an der Skelettbauweise der Schinkelschen Bauakademie orientiert.

Der Standard der Bundeszertifizierung BNB für Gebäude sei bereits sehr hoch, man wolle ihn aber auf eine neue Stufe heben. Die Kühlung des Hauses solle möglichst durch natürliche Mittel geschehen, also durch Verdunstung, Verschattung und Dachbegrünung.

Wie ernst es dem Thinktank mit der Klimaneutralität ist, machte Anja Rosen, Professorin an der Bergischen Universität Wuppertal deutlich, die als Expertin für zirkuläres Bauen Teil des Gremiums ist: Es sei ernsthaft debattiert worden, ob man überhaupt ein neues Gebäude bauen wolle, denn: „Klimaneutrales Bauen ist mit den heutigen Möglichkeiten gar nicht möglich.“

Gleichzeitig sei die Botschaft, die eine solche Bauakademie aussende, so wichtig, dass man sich doch für den Bau entschieden habe: Die neue Bauakademie müsse als Gebäude für den nötigen Veränderungsprozess, die sogenannte Bauwende , stehen. Das heiße auch: „Rekonstruktion steht am wenigsten für diesen Veränderungsprozess.“ Die nach Plänen von Schinkel Anfang des 19. Jahrhunderts gebaute Bauakademie war im Zweiten Weltkrieg beschädigt und 1962 abgerissen worden.

Klare Statements gegen eine mögliche Rekonstruktion

Auch Eike Roswag-Klinge, als Leiter des Natural Building Lab an der TU Berlin ebenfalls Thinktank-Mitglied, positionierte sich deutlich gegen eine mögliche Rekonstruktion der Schinkelschen Bauakademie : „Schinkel würde sich im Grabe umdrehen, wenn man ihn rekonstruiert.” Dieser stünde schließlich gerade für die innovativen Ansätze seiner Zeit: „Nicht die Fassade der Schinkelschen Bauakademie ist das Wichtige an dem Gebäude, sondern ihre Konstruktion” - die ein Vorläufer der modernen Skelettbauweise ist.

Die klaren Statements gegen eine mögliche Rekonstruktion beziehen sich auf einen Entwurf für die Gestaltungsanordnung (der Tagesspiegel berichtete im September) – einer Vorarbeit für den Bebauungsplan –, in dem die Senatsbaudirektion unter Petra Kahlfeldt eine vollständige Fassadenrekonstruktion für die Bauakademie vorsieht:

„Lage, Volumen sowie die Profilierung sämtlicher von außen sichtbarer Bauteile haben den von Karl Friedrich Schinkel für das Gebäude der Bauakademie (damals ,Neue Bauschule ') erstellten Gesamt- und Detailplänen gemäß den Anlagen 1-9 (Zeichnungen nach Entwurf von Karl Friedrich Schinkel) weitestgehend zu entsprechen“. Die Grünenfraktion wiederum lief Sturm gegen den Plan der Senatsbaudirektion. Das neue Gebäude müsse „als Vorbild und Zukunftsprojekt” für die Bauwende stehen.

Bis Frühjahr 2023 soll nun ein Auslobungstext für den Wettbewerb vorbereitet werden, der dann dem Stiftungsrat vorgelegt wird. Nach Wunsch von Guido Spars soll der Wettbewerb noch 2023 losgehen.

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