Urteil zur Friedrichstraße zeigt Berlin Grenzen auf
Morgenpost vom 26.10.2022 von Jessica Hanack

Der autofreie Abschnitt der Friedrichstraße zwischen Französischer und Leipziger Straße befindet sich seit mehr als zwei Jahren in einem provisorischen Zustand. Gelbe Markierungen, rot-weiße Absperrgitter und mehr oder weniger gepflegte Kübelpflanzen prägen bis heute das Bild, obwohl der Verkehrsversuch seit rund einem Jahr Geschichte ist. Land und Bezirk haben darauf gesetzt, den provisorischen Zustand einfach zu konservieren, bis ein sogenanntes Teileinziehungsverfahren abgeschlossen ist, um Autos dauerhaft von dem Straßenabschnitt auszuschließen. Dieses Vorgehen hat das Berliner Verwaltungsgericht nun gestoppt.

In seiner Eilentscheidung hat es die Sperrung für Autos für rechtswidrig erklärt. Die Begründung ist ein eindeutiger Fingerzeig an das Land Berlin . Denn es geht nicht darum, was Land und Bezirk sich für die Gestaltung einer Straße wünschen und was aus ihrer Sicht die Aufenthaltsqualität erhöhen kann. Was zählt, ist die Straßenverkehrsordnung. Berlin wurden damit – wieder einmal – die Grenzen seiner Entscheidungsgewalt aufgezeigt.

Wichtig bei dem Urteil ist, dass es sich auf die aktuelle Situation bezieht. Es besagt nicht, dass die Friedrichstraße nicht in eine Fußgängerzone umgewandelt werden darf – sofern es eben die Rechtsgrundlage gibt. Die Entscheidung sollte daher als Chance gesehen werden, dem Provisorium, das niemanden wirklich zufriedenstellt, ein Ende zu setzen. Es ist auch eine Chance, eine Gestaltung gründlich zu planen, bevor es in die Umsetzung geht. Das neue Konzept muss mehr sein als 500 Meter autofreie Straße. Es muss das Umfeld betrachten und Anrainer einbeziehen. Es geht nicht um die Wünsche der Politik, sondern um die Wünsche der Menschen.

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