Immer mehr historische Fassaden und Gebäude sollen das Berliner Stadtbild verschönern. Ein Blick auf verschiedene Projekte in Berlin
Morgenpost vom 29.10.2022 von Christian Horn

Große Bauprojekte stoßen regelmäßig Diskussionen an, denn immerhin konkurrieren dabei die Einwände, Interessen und Zuständigkeiten verschiedenster Akteure. In die Umsetzung hauptstädtischer Bauvorhaben sind neben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen zum Beispiel der Bund, Eigentümer, Architekturbüros und Bauleitungen , Vereine oder der Denkmalschutz involviert. Gerade die Rekonstruktion historischer Orte, die im Krieg zerstört wurden, ruft Emotionen hervor. Einige Beispiele für solche Bauprojekte in Berlin:

Berliner Schloss

Weit über die Stadtgrenzen hinaus wurde der Wiederaufbau des Berliner Schlosses debattiert, zumal das Bundesprojekt den Abriss des Palasts der Republik voraussetzte. Nach siebenjähriger Bauzeit wurde der Neubau im Mai 2020 abgeschlossen. Drei der barocken Fassaden sind rekonstruiert, die Ostseite vom italienischen Architekten Franco Stella neu entworfen. Das Schloss stellt einen Teil Berlins historischer Mitte wieder her, das darin ansässige Humboldt-Forum versteht sich als Universalmuseum und Veranstaltungsort für Kultur und Wissenschaft. Während und nach der Bauphase gab und gibt es immer wieder Streit um das Schloss und die Gestaltung der umliegenden Spreeinsel. Strittig war etwa die Bibelinschrift unter dem Kuppelkreuz, laut der sich alle Religionen dem Christentum „beugen“ sollen. Die angeregte Rückführung des Neptunbrunnens vom Roten Rathaus an die Südseite des Humboldt-Forums, wo er bis 1969 stand, ist inzwischen vom Tisch.

Ein laufendes Projekt ist die viel diskutierte „Einheitswippe“ auf der Westseite des Humboldt-Forums, deren Bau der Bund koordiniert. Die mehrfach verschobene Einweihung des Denkmals soll nach jetzigem Stand 2023 erfolgen. In Konkurrenz zur Wippe sehen manche die nahe gelegene Freitreppe „Schlossfreiheit“, zu der noch Fragen offen sind. Die Pressestelle der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung berichtet, dass bisher keine Genehmigung der zuständigen Umweltverwaltung vorliegt. Ungeklärt seien auch noch Fragen zur Unterhaltung der Freitreppe nach ihrer Fertigstellung. Einen abschließenden Stand zur Realisierung könne man im Moment nicht geben.

Karstadt am Hermannplatz

Ein weiteres Großprojekt ist der Wiederaufbau des historischen Karstadt-Gebäudes am Hermannplatz. Das 1929 eröffnete Warenhaus wurde im Zweiten Weltkrieg größtenteils zerstört, der intakt gebliebene Teil ist bis heute eine Karstadt-Filiale. Als Eigentümer des Grundstücks plant die österreichische Signa-Gruppe eine Rekonstruktion des Gebäudes. Die Planungshoheit über das Projekt hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung inne, der vorhabenbezogene Bebauungsplan wurde im Frühjahr 2022 aufgestellt. Während der Immobilienkonzern Signa die Grundstücksplanung verantwortet, fällt die Neugestaltung des Areals um den Hermannplatz in die Zuständigkeit der Senatsverwaltung. Genaueres dazu ist zurzeit unklar. „Ein Masterplan liegt noch nicht vor“, informiert die Pressestelle. Auch der mögliche Baustart könne „momentan nicht konkret genannt werden“. Für die ausstehende Schaffung „ planungsrechtlicher Genehmigungsvoraussetzungen“ setzt die Verwaltung zweieinhalb Jahre an.

Die Signa-Gruppe sieht dem Baubeginn optimistisch entgegen. Anfang 2022 gewann das Architekturbüro Lendager aus Kopenhagen den von Signa ausgeschriebenen Re-Use-Wettbewerb für das Karstadt-Projekt. „Der Wettbewerb hat sich insbesondere mit der Bebauung des Parkhauses und Innenhofs beschäftigt“, erklärt Sebastian Schmidt, PR-Manager im Berliner Signa-Büro. Das Parkhaus soll erhalten bleiben und für eine Büro- und Gewerbenutzung umgebaut werden. Durch die Wiederverwendung von Materialien zielt das Konzept auf CO 2 -Einsparungen. „Die bestehende Warenhausimmobilie wird im Zuge der Neugestaltung entkernt und das Stahlbeton-Rohbauskelett saniert“, führt Schmidt aus. „Die Aufstockung des Gebäudes wird dann in innovativer Holzbauweise realisiert.“

Die Fassade sollte nach historischem Vorbild mit Muschelkalk und Beton gestaltet werden, bis der Architekt David Chipperfield rote Ziegel vorschlug. Inzwischen hat sich ein Kompromiss herauskristallisiert: „Die identitätsstiftende Architektur wird neu interpretiert“, erörtert Sebastian Schmidt. „Die Fassade wird mit Ziegeln verkleidet, die farblich an das historische Vorbild angelehnt sind.“ Das bestätigt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung , deren Pressestelle eine „Nachempfindung der historischen Fassade mit einer stark profilierten, haptischen Gestaltung unter Verwendung hellen Backsteinmaterials“ beschreibt. Anders als die Senatsverwaltung nennt Schmidt einen Zeitplan: „Wir planen mit dem Beginn der Abbrucharbeiten Ende 2023, die Eröffnung wird voraussichtlich 2027 erfolgen.“

Neues Quartier am Molkenmarkt

Eine dritte große Baumaßnahme betrifft den Molkenmarkt südöstlich des Nikolaiviertels. Die Gebäude am ältesten Platz Berlins wurden im Zweiten Weltkrieg mehrheitlich zerstört. Zuständig für die lang geplante Umgestaltung ist die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung , der zugehörige Bebauungsplan wurde 2016 festgesetzt. Angedacht ist eine Annäherung an den historischen Grundriss, wofür unter anderem die Grunerstraße umgelegt werden soll.

Beim Wettbewerb zur Gestaltung des Molkenmarkts setzten sich zwei Teams durch: Die Bernd Albers Gesellschaft von Architekten mbH und das Züricher Landschaftsarchitekturbüro Vogt sowie das dänische Büro OS Arkitekter und die Berliner Architekturwerkstatt Czyborra Klingbeil. Beide Teams nahmen am Werkstattverfahren teil. „Am 3. Februar 2022 wurden die Wettbewerbsprojekte in einer ersten Bürgerwerkstatt vorgestellt und auf der Grundlage der Empfehlungen der Jury und der Bürger überarbeitet“, resümiert Silvia Malcovati, geschäftsführende Gesellschafterin bei der Bernd Albers Gesellschaft von Architekten mbH. Nach der Überarbeitung gab es eine zweite Vorstellung. „Dieser Prozess war eine große Herausforderung, da die Empfehlungen nicht immer eindeutig waren und die geforderten Vertiefungen besonders komplexe Themen betrafen.“ Mitte September 2022 empfahl die Fachjury schließlich beide Entwürfe für die weitere Bearbeitung. „Bereits im Gespräch mit der Jury wurde deutlich, dass viele Fragen offengeblieben waren“, sagt Silvia Malcovati. „Nun wird die Senatsverwaltung entscheiden, wie es weitergeht.“

Für die weitere Planung regte die Jury die Durchführung von vier Machbarkeitsstudien an. „Die Empfehlungen beziehen sich auf thematische Schwerpunkte wie Wohnungsbau, Klima und Freiraum, Einbindung von archäologischen Funden, Nutzungsmischung, Städtebau und Planungsrecht “, teilt die Pressestelle der Senatsverwaltung mit. „Die Vergabe der Machbarkeitsstudien wird derzeit vorbereitet.“ Erst nach Abschluss der Studien würden die Hochbauwettbewerbe für konkrete Gebäude starten, „voraussichtlich ab Anfang 2024“.

Der Baustart hängt auch am Stand der archäologischen Grabungen, die das Landesdenkmalamt am Molkenmarkt durchführt. „Bis Ende 2022 werden von insgesamt 20.000 m² circa 11.000 m² archäologisch erfasst sein“, meldet die Senatsverwaltung. „Die übrigen Flächen werden bis etwa 2025 ergraben.“

Die bestehende Warenhausimmobilie wird im Zuge der Neugestaltung entkernt und das Stahlbeton-Rohbauskelett saniert

Sebastian Schmidt, PR-Manager, Signa-Büro Berlin

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