Tagesspiegel online vom 31.10.2022

Bei der Städtebaukonferenz Paris- Berlin tauschen sich Experten und Politik über Metropolgestaltung aus. Geisel will von Paris lernen – in einem Punkt zumindest.

Wird Berlin irgendwann fertig sein? Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) glaubt das nicht. „Berlin wird voraussichtlich nie vollendet sein, sondern sich immer im Werden befinden“ – so sagte sie es am Montag zur Eröffnung der Städtebaukonferenz Paris- Berlin mit dem Titel „Unvollendete Metropole“.

Wie dieses ständige Werden von Großstädten gestaltet und politisch geformt werden kann, darüber haben sich Verantwortliche aus Politik, Verwaltung, Stadtplanung und Architektur aus Frankreich und Deutschland im Roten Rathaus ausgetauscht – anlässlich des 35-jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft zwischen Berlin und Paris.

Die europäischen Metropolen sehen sich aktuell und in den kommenden Jahren vor große Herausforderungen gestellt: Die Städte wachsen, die Bevölkerung wird gleichzeitig aber aufgrund des demografischen Wandels älter. Dazu kommen die Konsequenzen des Klimawandels und sozialer Ungleichheit.

Bezahlbar bleiben

Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (ebenfalls SPD) machte in seiner Rede deutlich, worin er die größte politische Herausforderung sieht: Das wachsende Berlin so zu gestalten, dass die Stadt für die Menschen bezahlbar bleibt. Er verwies auf die kürzlich vorgelegte Bevölkerungsprognose, die bis 2040 von knapp vier Millionen Bewohnerinnen und Bewohnern ausgeht.

Jeder Einwand, der gegen eine wachsende Stadt vorgebracht werde, sei zwar wichtig. Allerdings dürfte er nicht dazu führen, dass das Wachstum nicht aktiv gesteuert werde. „Die Entwicklung von Stadt lässt sich nicht einfrieren – die Stadt verändert sich, auch wenn wir nichts tun“, sagte Geisel. Gegen Kehrseiten des Wachstums wie hohe Mieten müsse man vorgehen. Zuletzt stand der Stadtentwicklungssenator wegen der Planung des Molkenmarkts sowie der Kooperation des Senats mit dem Kaufhaus- und Immobilienkonzern Signa in der Kritik . In seiner Rede am Montag ging Geisel auf diese konkreten Projekte nicht ein.

Stattdessen nannte er die Instrumente, die für die Zukunft der Stadt aus seiner Sicht wichtig sind: einen hohen Anteil an geförderten Wohnungen insbesondere für das Stadtinnere zu garantieren, eine soziale Mischung in den Quartieren zu erhalten und so nachzuverdichten, dass möglichst wenige Flächen neu versiegelt werden müssen.

Eine besondere Herausforderung sei es, in der Bevölkerung Akzeptanz für Nachverdichtung zu schaffen, sagte Geisel. Deswegen müsse man sie so gestalten, dass ein Mehrwert für alle entstehe. Mit Blick auf die Nutzung von Gewerberäumen in Erdgeschoss-Lage sei es wichtig, auf eine bunte Mischung zu setzen. „Da wollen wir von Paris lernen “, sagte er.

Beate Profé, Abteilungsleiterin Stadtplanung in Geisels Verwaltung, stellte eine Umfrage vor, wonach der Einzelhandel nur 39 Prozent der Erdgeschoss-Nutzung in den Zentren ausmacht. Sieben Prozent der Flächen stünden leer. Ziel sei es, Lücken im Bestand so zu füllen, dass dort attraktive Angebote die Menschen anziehen, sagte Profé. „Die Steuerung des Einzelhandels ist ein zentraler Punkt, um die Attraktivität der Zentren weiter zu stärken.“ Wie genau diese attraktiven Angebote aussehen sollen, blieb offen.

Der Tagesspiegel im Internet: www.tagesspiegel.de