Über den Umgang mit nicht nachhaltigen Gebäuden und ihren Wertverlust - Vier Fragen an Hannes Eckstein, Aurepa Advisors
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 01.11.2022 - Die Fragen stellte Michael PSotta

Sie entwickeln Bestandsimmobilien, häufig auch welche, die Gefahr laufen zu stranden. Wie groß schätzen Sie diese Gefahr ein?
Wir begrüßen die Diskussion zur Entwicklung von Bestandimmobilien im Hinblick auf ESG (Anlagekriterien Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) und EU-Taxonomie so enorm zugenommen hat. In einer aktuellen Trendumfrage mit unserem Partner PWC Deutschland machen bei rund 20 Prozent der befragten Asset-Manager nicht-ESG-konforme Immobilien 50 bis 75 Prozent ihres betreuten Immobilienbestandes aus, bei weiteren 36 Prozent sind es zwischen 25 und 50 Prozent. Es müssen also dringend Wege gefunden werden, wie ältere Immobilien einen niedrigeren Energieverbrauch erreichen, der den Carbon-Footprint bestimmt, und wie die Mietflächen für Nutzer dauerhaft attraktiv gestaltet werden können. eine tiefgründige Auseinandersetzung ist somit mehr denn je wichtig, um das Stranden von Bestandimmobilien zu verhindern.

Wie bewerten Sie denn in der gegenwärtigen Lage, die von vielerlei Krisen gekennzeichnet ist, das Risiko, dass Immobilien drastisch an Wert verlieren, und wie könnte das verhindert werden?
In unserer Umfrage bewerten 65 Prozent der Immobilien-Bestandshalter die Gefahr als hoch, dass der ältere Gebäudebestand in die Energieeffizienzklasse F oder schlechte abrutscht. Dieser ist energetisch so ungenügend, dass sich Sanierungsmaßnahmen nicht mehr amortisieren würden. Dennoch lohnt es sich, die Objekte im Detail zu betrachten. Viele sind nur gefährdet, sogenannte Stranded Assets zu werden, weil die passende Asset-Management-Strategie fehlt. Unserer Meinung nach kann ein Großteil des älteren Gebäudebestandes mit den richtigen Sanierungsmaßnahmen zu einer energieeffizienten Immobilie entwickelt werden. Häufig fehlt es aber an den Kapazitäten, diese Entwicklungsmaßnahmen festzulegen und umzusetzen - und das beginnt bereits bei der Erstellung einer ausreichenden Datenbasis.

Steigt das Angebot an nicht-ESG-konformen Immobilien, sind also mehr Eigentümer bereit, sich von nicht nachhaltigen Immobilien zu trennen?
Wir antizipieren mehr Angebot und stellen in unseren Gesprächen fest, dass die großen Kapitalsammelstellen überlegen, ob sie ihre gefährdeten Immobilien halten oder schnell verkaufen sollten, um das Portfolio zu bereinigen. Durch die zunehmend schwerer werdenden Fremdfinanzierungsbedingungen, insbesondere für weniger nachhaltige Immobilien, nimmt der Entscheidungsdruck ebenfalls zu. Das bestätigt auch unserer Umfrage: 46 Prozent der Befragten planen, ihre Immobilien im Bestand zu entwickeln, 25 Prozent wollen verkaufen, und rund 16 Prozent planen, sie zu halten, bis sie ihre wirtschaftliche Nutzungsdauer erreicht haben. Weitere rund 13 Prozent sehen im Abriss und der Neuentwicklung eine Lösung. Was leider viel zu häufig übersehen wird: Wichtig ist nicht nur der sogenannte Carbon-Footpint einer einzelnen Immobilie, sondern der des gesamten Portfolios. So können auch verschiedene Energieeffizienzklassen und damit verbundene CO2-Niveaus ausgeglichen werden.

Wie sehen Sie das Thema Abriss: Kann das ein probater Weg sein, sich wirtschaftlich gefährdeter Immobilien zu entledigen?
Die schonendere Bestandssanierung ist in der Regel im Vergleich zum Neubau etwas weniger energieeffizient im laufenden Betrieb, stellt im Verhältnis aber das deutlich probatere Mittel dar, Immobilienbestände in absehbarer Zeit nachhaltig zu entwickeln. Wir haben Fälle gesehen, in denen Objekte mit guter Substanz und Baujahren um die letzte Jahrtausendwende abgerissen wurden, weil der Eigentümer am gleichen Standort einiges an Mehrfläche für einen Neubau genehmigt bekommen hatte. Für den klimawirksamen Fußabdruck ist das alle andere als nachhaltig, da die Erstellung rund die Hälfte des CO2-Ausstoßes im Lebenszyklus einer durchschnittlichen Immobilie produziert, währen die 50 bis 70 drauffolgenden Nutzungsjahre die restliche Hälfte umsetzen. Wir gehen auch davon aus, dass Abrisstätigkeit zunehmend restriktiver behandelt wird und entsprechende Genehmigungen an beispielsweise die Entwicklungsfähigkeit der Immobilie gekoppelt sein werden.

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