Aktionsbündnis kündigt an, eine Fußgängerzone auf der Einkaufsstraße verhindern zu wollen – und die Autos sollen bleiben
Morgenpost vom 24.11.2022 von Birgit Lotze

Die Straßensperren sind abgebaut, die Friedrichstraße ist wieder eine Autostraße. Das Aktionsbündnis „Rettet die Friedrichstraße “, das die Öffnung für den motorisierten Verkehr vor Gericht erstritten hat, gibt trotzdem keine Ruhe. Die Mitglieder nutzten den ersten Tag für eine Demonstration an der Ecke Französische Straße. Das Bündnis fordert einen reibungslosen Verkehrsfluss auf der Friedrichstraße und ein schlüssiges Konzept für die gesamte Berliner Mitte.

Ein wenig sieht es wie eine kleine Drohung an Bettina Jarasch (Grüne) aus, Senatorin für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz des Landes Berlin . „Es ist nicht vorbei, wir kämpfen weiter“, steht auf dem größten Transparent der Mitglieder des Aktionsbündnisses. Bettina Jarasch hat ein Entwidmungsverfahren eingeleitet mit dem Ziel, die Friedrichstraße bald, möglichst schon im Januar, zur Fußgängerzone umzubauen.

Jarasch betreibe „Symbolpolitik“, werfen sie der Senatorin vor. Der Anwalt des Aktionsbündnisses, Marcel Templin, der die Klage gegen die Sperrung der Friedrichstraße durchgesetzt hat, kündigt an, auch beim Entwidmungsverfahren Klage zu erheben. Er sieht nicht, dass die Friedrichstraße in Kürze zur Fußgängerzone wird. „Das kann Jahre dauern, das kann bis vor das Bundesverwaltungsgericht gehen.“ Schon unter diesem Aspekt sei es für die Stadt sinnvoll, auf die Forderung nach einem Gesamtkonzept für Mitte einzugehen. „Dann können wir uns die ganzen Rechtsstreitigkeiten sparen.“

Das Aktionsbündnis ist größer geworden seit der Gründung im März. Der Vereinigung, die sich auf Betreiben der Weinhändlerin Anja Schröder aus der Charlottenstraße gebildet hat, haben sich inzwischen der Handelsverband Berlin -Brandenburg und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband angeschlossen. Die Forderungen des Bündnisses gehen über die Friedrichstraße und ihre Umgebung hinaus.

Kernforderung ist ein Gesamtkonzept für das Areal rund um die Straße Unter den Linden – vom Alexanderplatz bis zum Brandenburger Tor. Der Berliner Senat solle „endlich die Lupe weglegen“, sagt die Unternehmerin Annett Greiner-Bäuerle vom Wirtschaftskreis Mitte. Es gelte, den gesamten Bereich anzugucken, zu analysieren, wo sich eine Fahrradstraße, eine Fußgängerzone, Autoverkehr anbiete. Was die Friedrichstraße angeht, sind sich die Protestierenden einig: Sie sehen sie als Durchgangsstraße, als wichtigste Nord-Süd-Verbindung in Mitte, auf der der Verkehr „reibungslos“ fließen kann und damit die Nebenstraßen entlastet. Zwei Jahre lang war sie nun für den motorisierten Verkehr gesperrt und wurde so zur wichtigsten Nord-Süd-Verbindung für Fahrradfahrer. Der Verkehrsversuch autofreie Friedrichstraße gilt als nicht geglückt, auch weil die Radtrasse von Fußgängern als zu dominant wahrgenommen wurde. Billig war er nicht: Allein die Anschaffung von Bänken, Tischen und Stühlen soll fast 156.200 Euro gekostet haben.

Peter Laduch, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Interessengemeinschaft (IG) Gendarmenmarkt , findet auch den Plan, die Friedrichstraße zu einer Fußgängerflaniermeile umzubauen, nicht überzeugend. Es habe doch nie besondere Konflikte auf der Friedrichstraße gegeben zwischen Fußgängern, Fahrrad- und Autofahrern. „Hier versucht man etwas schön zu machen, was gar nicht unschön war.“ Und die Straßen rund um den Gendarmenmarkt , die Charlottenstraße, die Markgrafenstraße, hätten in den zwei Jahren der Schließung der Friedrichstraße für Autos ständig Staus erlebt. „Das war Verkehrschaos .“

Christine Eulgem hält ein Schild hoch: „Provinzposse in weltbekannter Einkaufsstraße.“ Der Handel sei gebeutelt, sagt sie. Sie lebt in Prenzlauer Berg, hat eine PR-Agentur und erhebt Studien im urbanen Raum. Für die Friedrichstraße hat sie Marktforschung betrieben und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass – verglichen mit anderen Einkaufsstraßen wie Schloßstraße, Tauentzien und Kurfürstendamm – auf der autofreien Friedrichstraße 33 Prozent weniger Menschen unterwegs waren. Sie fordert, dass der Senat eine seriöse Messung durchführt und sie vernünftig auswertet. „Und dann sollte man mit den Anwohnern planen.“ Das Aktionsbündnis hat inzwischen auch eine neue Analyse von Mobilitätsdaten angekündigt.

Anlieger des Gendarmenmarktes ärgern sich über die Großbaustelle

Die Initiative erwartet, dass die Senatsverwaltung mehr auf die Anwohner zukommt, mehr kommuniziert. Peter Laduch von der IG Gendarmenmarkt sagt, er habe schlechte Erfahrungen gemacht, die Anlieger des Gendarmenmarkts seien bei der neuen Großbaustelle nicht eingebunden worden. Das ärgert ihn, sie seien es schließlich, die mit der Baustelle leben müssten – für zwei Jahre, ohne Pause alles dicht. Der IG gehören auch die meisten Restaurants und Cafés rund um den Gendarmenmarkt an.

Den Umbau der Charlottenstraße zur Fahrradstraße, als Ersatz für die Friedrichstraße , sieht das Aktionsbündnis „mit Besorgnis“ – vor allem die gegenläufigen Einbahnstraßen. Das führe auf allen Seiten zu Verwirrung und Unsicherheit. Vor allem die durch die Baustelle auf dem Gendarmenmarkt stark belastete Markgrafenstraße leide stark unter der neuen Verkehrsführung . „Ohne Konzept und ohne Einbeziehung der Anrainer wird auch hier nur Symbolpolitik betrieben“, schreiben die Mitglieder.

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