Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW ruft die Regierung dazu auf, beim Wohnungsbau umzusteuern, um ein Drama abzuwenden.
Berliner Zeitung vom 19.01.2023 von DPA/Monika Skolimowska

Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) erwartet einen weiteren Rückgang bei der Zahl der fertiggestellten Wohnungen in Deutschland. Während im Jahr 2021 noch rund 293.000 Wohnungen bundesweit errichtet wurden, rechnet der GdW für das abgelaufene Jahr lediglich mit 280.000 neuen Wohnungen.

Im Jahr 2023 dürften nur noch 242.000 Wohnungen fertiggestellt werden, im Jahr 2024 gerade mal 214.000. Das Ziel der Bundesregierung, 400.000 Wohnungen jährlich zu errichten, würde damit in der nächsten Zeit nicht erreicht.

Und Besserung ist laut GdW nicht in Sicht. „Mittelfristig werden bundesweit eher nur 200.000 statt 400.000 Wohnungen pro Jahr entstehen und deutlich weniger als geplant energetisch modernisiert werden können“, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko am Mittwoch in Berlin . Hauptgründe dafür sind laut einer Umfrage unter den GdW-Mitgliedsunternehmen gestiegene Materialkosten, hohe Kreditzinsen, fehlende Bau - und Handwerkskapazitäten, aber auch „unzureichende Förderkonditionen“.

Rund 32 Prozent der ursprünglich geplanten Neubaufertigstellungen für dieses und das nächste Jahr werden nach Auskunft der GdW-Mitgliedsunternehmen nicht realisierbar sein, wie aus der Umfrage vom Dezember hervorgeht. Hochgerechnet auf alle Unternehmen im GdW bedeute dies, dass von den geplanten knapp 61.000 Wohnungen knapp 20.000 weniger entstehen, so der Verband. Der GdW vertritt rund 3000 Wohnungsunternehmen, die rund sechs Millionen Wohnungen vermieten. Das sind fast 30 Prozent aller Mietwohnungen in Deutschland.

Interessant dabei: Während jedes dritte Unternehmen in der Umfrage erklärte, den Neubau komplett zu streichen, wollen 37 Prozent keine Abstriche machen. Das seien insbesondere die kommunalen Unternehmen, sagte Gedaschko, dazu zählen in Berlin die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften.

Pläne für neue Sozialwohnungen werden ebenfalls gestrichen Im sozialen Wohnungsbau sind die Aussichten ebenfalls nicht gut: Die Wohnungsunternehmen werden 21 Prozent der für 2023 und 2024 geplanten Sozialwohnungen der Umfrage zufolge nicht realisieren können. Statt 20.000 neuer Sozialwohnungen werden so nur noch knapp 16.000 entstehen.

Eine ebenso dramatische Lage zeichnet sich laut GdW bei den geplanten Modernisierungsvorhaben ab. Rund ein Fünftel der vorgesehenen Modernisierungsmaßnahmen würden die Wohnungsunternehmen in diesem und im nächsten Jahr nicht realisieren können. Von den ursprünglich vorgesehenen rund 272.000 Wohneinheiten würden 53.000 weniger erneuert werden. Das betreffe insbesondere die energetische Modernisierung.

Der GdW sieht die Bundesregierung am Zug. „Die Regierung muss beim Wohnungsbau sofort um- und gegensteuern, um ein Drama für die Wohnungssuchenden abzuwenden“, sagte Gedaschko. „Wir haben es seit rund zwei Jahren mit einer beispiellosen Baupreisexplosion zu tun. In der zweiten Jahreshälfte 2022 stagnierte der Anstieg zwar, aber auf einem extrem hohen Niveau“, so der GdW-Präsident. So habe die Entwicklung der Baupreise in den vergangenen drei Quartalen 2022 relativ konstant bei einer Steigerung von rund 17 Prozent im Vergleich zum jeweiligen Vorjahrsquartal gelegen. „Wenn Preise explodieren, kann logischerweise kein bezahlbarer Wohnraum entstehen“, so Gedaschko. Die Aufgabe der Regierung wäre es, „mit einem langfristigen Förderkonzept dieser Fehlentwicklung entgegenzuwirken und den bezahlbaren Wohnungsbau als soziale Frage unserer Zeit voranzubringen“. Doch leider tue sie „seit rund einem Jahr das Gegenteil“, so der GdW-Präsident.

Verband fordert unter anderem, das Mietrecht nicht zu ändern Nach mehreren abrupten Förderstopps mit anschließenden deutlichen Verschärfungen der Förderbedingungen habe die Bundesregierung die Förderanforderungen im Neubau zum Jahresbeginn 2023 erneut ohne Vorankündigung verschärft. So seien bei einem Nachhaltigkeitssiegel des Bundes, das für eine Förderung zusätzlich zum Energieeffizienz-Standard EH40 erreicht werden muss, die Anforderungen an die maximalen CO2-Emissionen „quasi über Nacht um 14 Prozent verschärft“ worden. Dies habe zur Folge, dass viele Bauwillige erneut ihre kompletten Planungen über den Haufen werfen und neu erstellen müssten – oder sie gäben schlicht auf. „Nicht nur die Wohnungsbauziele, sondern auch die Klimaziele werden zunehmend unerreichbar“, warnt Gedaschko.

Um die Wohnungsbau- und Klimaziele nicht komplett abschreiben zu müssen, fordert der GdW ein Maßnahmenpaket. Dazu gehört laut dem Wohnungsverband unter anderem eine Absenkung der Mehrwertsteuer im sozialen Wohnungsbau auf sieben Prozent, eine ausreichende und verlässliche Förderung, aber auch der Verzicht auf weitere Verschärfungen im Mietrecht. Um das bezahlbare Wohnen zu unterstützen, seien jenseits der Förderung von Sozialwohnungen zehn Milliarden Euro jährlich nötig.

Der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), dem rund 1600 Mitgliedsunternehmen angehören, äußerte sich am Mittwoch ähnlich. Von Januar bis November 2022 seien laut Statistischem Bundesamt Baugenehmigungen für nur 276.474 Wohnungen erteilt worden. Das seien 5,8 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres gewesen. „Der Rückgang war abzusehen, wir haben zuletzt im Dezember vor dieser Entwicklung gewarnt“, erklärte BFW-Präsident Dirk Salewski. Er warnt zugleich: „Die erteilten Baugenehmigungen werden nicht zu mehr Bautätigkeit führen, unter den aktuellen Rahmenbedingungen ist der Wohnungsneubau vollkommen unwirtschaftlich.“

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