Bettina Jarasch will sich bei der Friedrichstraße unbedingt durchsetzen
Morgenpost vom 29.01.2023 von Christine Richter

Solch drastische Worte hört man nicht oft in der Politik, da mag der politische Streit noch so heftig sein. Aber für den FDP-Fraktionschef und -Spitzenkandidaten Sebastian Czaja war vor wenigen Tagen wahrlich eine rote Linie überschritten, als Verkehrssenatorin Bettina Jarasch – die bekanntlich für die Grünen Regierende Bürgermeisterin in Berlin werden will – ankündigte, dass die Friedrichstraße schon ab kommenden Montag wieder für den Autoverkehr gesperrt wird. „Bettina Jarasch lernt es nicht. Nachdem ein Gericht die Öffnung der Friedrichstraße gegen den Willen der Verkehrssenatorin angeordnet hat, versucht sie es jetzt mit der nächsten Sauerei“, schimpfte Czaja per Pressemitteilung. Drastisch, aber so wie der Liberale würden wohl viele Berliner die Vorgänge rund um die Friedrichstraße ausdrücken.

Bei der Friedrichstraße geht es nämlich schon lange nicht mehr um einen klugen, gar intelligenten Verkehrsversuch. Von einem Vorzeigeprojekt der Berliner Verkehrswende, das auch die gesamte Situation in Mitte mit Gendarmenmarkt und dem Boulevard Unter den Linden berücksichtigen würde, ganz zu schweigen. Die Grünen haben die Friedrichstraße vielmehr zum Kampfprojekt erklärt und wollen hier, an dieser zentralen Stelle in Berlins Mitte, demonstrieren, dass sie bestimmen, wie die Mobilitätswende auszusehen hat.

Deshalb zeigt auch die amtierende Verkehrssenatorin und Grünen-Spitzenkandidatin keinerlei Demut, obwohl sie im Oktober vom Berliner Verwaltungsgericht gestoppt wurde. Weil die rechtlichen Grundlagen für die Verlängerung des Verkehrsversuchs – autofreie Friedrichstraße zwischen Französischer und Leipziger Straße – fehlten, musste Jarasch damals die Sperrung innerhalb kurzer Zeit aufheben. Ab Ende November durften die Autos wieder fahren. Doch wer gehofft hatte, dass die Verkehrssenatorin nun versucht, mit allen Betroffenen – den Einzelhändlern, den Anwohnern, den Wirtschaftsvertretern, den Berliner Verkehrsbetrieben und Mobilitätsinitiativen – ein gutes Konzept für die Friedrichstraße , die Charlottenstraße und die umliegenden Verkehrsbereiche zu entwickeln, der wurde bitter enttäuscht.
Jarasch konnte ihre Pläne mit der Brechstange durchsetzen, weil die Grünen auch im Bezirk Mitte das Sagen haben. Zuerst wurde im Eiltempo die Charlottenstraße in eine Fahrradstraße umgewandelt – inklusive vieler Einbahnstraßen-Abschnitte, die es den Anrainern oder dem Lieferverkehr nahezu unmöglich machen, die Charlottenstraße zu befahren, obwohl sie das dürfen. Am Mittwoch dann die Pressekonferenz von Jarasch und der Grünen-Stadträtin aus Mitte mit der Ankündigung: Ab 30. Januar ist die Friedrichstraße für den Autoverkehr endgültig gesperrt, sie soll nun zu einer Fußgängerzone umgewandelt werden. Alle rechtlichen Voraussetzungen dafür sind geschaffen, weil der Bezirk die Straße umgewidmet hat.
Warum Rad- und E-Scooter-Fahrer diesen Abschnitt trotzdem weiter nutzen dürfen („im Schritttempo“), bleibt erstmal Jaraschs Geheimnis. Dass die Betroffenen nicht einbezogen wurden, obwohl es doch laut Jarasch sowieso „einige Jahre“ bis zur Gestaltung der Fußgängerzone dauern wird, ist leicht zu erklären: Es ist Wahlkampf, Bettina Jarasch will beweisen, dass sie sich durchsetzen kann, die Grünen-Sympathisanten mit der autofreien Friedrichstraße von sich überzeugen. So sieht sie aus, die grüne Ideologie pur.

Berlins Regierende Bürgermeister Franziska Giffey (SPD) war von dem Alleingang Jaraschs gar nicht begeistert – und sagte dies am Mittwoch auch. Konsequenzen aber zieht sie nicht. Und bestätigt damit alle wieder, die sagen: „Das ist Berlin.“

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