Franziska Giffey hat für die SPD die Wahl verloren, auch, weil sie zu lange an Senator Geisel festhielt
Morbenpost vom 26.02.2023 von Christine Richter

Erinnern Sie sich noch: Nach der verkorksten Wahl 2021 trat die Landeswahlleiterin wenige Tage später zurück, der damalige Innensenator Andreas Geisel ( SPD ) lehnte einen Rücktritt ab. Er sprach davon, dass er die Rechtsaufsicht habe, nicht aber die Fachaufsicht, dass er selber Kandidat gewesen sei und gar nicht in die Wahlvorbereitung habe eingreifen dürfen, dass die Bezirke mitverantwortlich seien. Nach der Bildung des neuen Senats durfte Geisel im Dezember 2021 in sein Wunschressort Stadtentwicklung und Bauen wechseln, dieses Amt hatte er vor seiner Zeit als Innensenator schon einmal inne und mochte es sehr.

Senator Andreas Geisel lehnt einen Rücktritt ab

Im Laufe des Jahres 2022 wurden dann immer schlimmere Details zum Wahltag bekannt. Als das Landesverfassungsgericht im September in einer mündlichen Anhörung schon deutlich machte, dass es zu einer kompletten Wahlwiederholung der Berlin -Wahl kommen könnte, sagte Geisel am gleichen Tag, bei unserem Morgenpost-Leserforum , den bemerkenswerten Satz: „Es ist nicht so, dass ich nicht Verantwortung spüre.“ Aber die Frage sei, welche Entscheidung man treffe, um die Sache besser zu machen. „Und ich habe mich entschlossen zu arbeiten“, so Geisel damals. Nicht mal zwei Monate später entschied das Landesverfassungsgericht, dass die Berliner Wahlen komplett wiederholt werden müssen. Und der Senator blieb im Amt.

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Franziska Giffey schaltet auf „Augen zu und durch“

Auch die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hielt an Geisel fest. Er werde gebraucht, sagte sie. Hinweise, dass damit auch das Wahldebakel an der SPD hängen bleiben werde, wollten Giffey und ihre Getreuen nicht wahrnehmen. Da mochte die Opposition noch so sehr erklären, dass Geisel nicht mehr haltbar sei, dass für das Wahldesaster doch der politische Verantwortliche die Verantwortung übernehmen müsse – Giffey, Geisel und die SPD schalteten auf „Augen zu und durch“.

Die Koalitionspartner Grünen und Linke verhalten sich auffallend ruhig

Die Koalitionspartner Grüne und Linke verhielten sich damals auffallend ruhig, keiner forderte den Rücktritt von Geisel, aber die Parteienvertreter wählten schon Formulierungen, dass es so nicht weiter gehen könne, dass das Urteil „eine heftige Ansage an die damals Verantwortlichen“ sei – und taten gleichzeitig so, als ob nur die SPD für das Wahldebakel und die Wahlwiederholung verantwortlich sei. Führende Grüne erklärten mir damals, dass es für sie im Wahlkampf doch ganz gut sei, wenn Geisel im Amt bliebe, dann könnten sie das Thema immer bei der SPD verorten.

Die CDU macht einen Gag

Auch das ist Politik – erst recht in einem Wahlkampf, bei dem es für alle um so viel ging. Die Berliner CDU machte sich übrigens einen Gag daraus, dass Giffey an Geisel festhielt. Der CDU-Generalsekretär Stefan Evers , bei Twitter unter dem Namen @ berlingestalter sehr aktiv, begann viele Tage mit dem Tweet: „Ist Andreas Geisel eigentlich noch im Amt?“ Und bekam dafür im Wahlkampf die notwendige Aufmerksamkeit – und Geisel und die SPD das Thema nicht weg.

Das Festhalten an Geisel kostet die SPD viele Stimmen

Seit zwei Wochen wird in Berlin jetzt sondiert, die CDU, die die Wahl klar gewonnen hat, spricht mit den Grünen oder mit der SPD über eine mögliche Koalition, die SPD sondiert mit Grünen und Linken , ob man nicht doch gemeinsam weitermachen könne. Denn nur dann könnte Franziska Giffey im Amt bleiben. Aus den Sondierungen wird wenig bekannt, eines aber schon: Andreas Geisel wird dem neuen Senat nicht mehr angehören , sollte die SPD, in welcher Konstellation auch immer, weiter mitregieren. „Das Festhalten an Geisel hat uns viele Stimmen gekostet, es war ein Fehler“, lautet nun die Wahlanalyse. Dass dafür die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) persönlich verantwortlich war, das aber wird noch nicht öffentlich gesagt. Noch nicht.

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