Tagesspiegel vom 27.03.2023 von Teresa Roelcke

CDU und SPD in Berlin planen im Umgang mit den Immobilienprojekten von Signa wohl keinen radikalen Kursschwenk. Das geht aus dem finalen Abstimmungspapier der Verhandlungsgruppe Stadtentwicklung , Bauen und Wohnen hervor, das dem Tagesspiegel vorliegt. „Die Zentren am Hermannplatz, in der City West und am Leopoldplatz wird die Koalition in ihrer Entwicklung und Urbanität stärken, um damit langfristig die Arbeitsplätze im Einzelhandel zu sichern“, heißt es in dem Papier. „Die laufenden Planungsprozesse des Landes führen wir unter breiter öffentlicher Beteiligung fort.“

Bemerkenswert dabei: Obwohl durch die Aufzählung von Hermannplatz, City West und Leopoldplatz offensichtlich die Entwicklung der Karstadt-Warenhausstandorte Thema ist, fällt im gesamten Absatz weder der Name Signa noch wird der „Letter of Intent“ (LOI) erwähnt. Im LOI hatten der Senat und der österreichische Signa-Konzern, Träger des Warenhausbetreibers Galeria Karstadt Kaufhof, im Jahr 2020 vereinbart, vier bedrohte Karstadt-Filialen mindestens drei bis fünf Jahre zu erhalten. Ein Erhalt darüber hinaus solle „angestrebt“ werden.

Im Gegenzug hatte das Land versprochen, die Bauprojekte von Signa in der City West/Kurfürstendamm, am Hermannplatz und am Alexanderplatz zu erleichtern. Am Alexanderplatz wird bereits gebaut, um die anderen beiden Standorte wird noch gerungen. Die angekündigten Schließungen von Karstadt-Filialen hatten die schon vorher deutliche Kritik an den Bauwünschen von Signa noch einmal angefacht.

Signa hält sich an die Zusagen, wir halten uns an die Zusagen. Das ist, glaube ich, das Wesen von Vereinbarungen.Stefan Evers, Generalsekretär der Berliner CDU

Dass die LOI-Vereinbarung, bisherige Rechtfertigung für die Priorität, mit der die Stadtentwicklungsverwaltung die Planungen vorangetrieben hatte, nun im Papier der Verhandlungsgruppe gar nicht vorkommt, dürfte ein Hinweis darauf sein, dass man zu keiner Einigung gekommen ist in der Frage: Hat Signa sich nun an die eigenen Zusagen aus dem LOI gehalten oder nicht?

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CDU-Generalsekretär Stefan Evers hatte nach Bekanntwerden der anstehenden Karstadt-Filialschließungen zwar getwittert: „Ich finde es schwer erträglich, dass in Berlin trotz milliardenschwerer Staatshilfen für das Unternehmen zwei Karstadt-Filialen schließen. Eine ernsthafte Anstrengung, den Warenhaus-Konzern fit für die Zukunft zu machen und den Beschäftigten sichere Perspektiven zu geben, kann ich bis heute nicht wirklich erkennen.“

Dem Tagesspiegel gegenüber bestritt Evers aber vergangene Woche, dass aus dieser Kritik auch das Scheitern des LOI folge. „Es ist objektiv nicht der Fall, dass Signa sich nicht an den LOI gehalten hat. Was aber nicht heißt, dass man nicht Erwartungen formulieren sollte, was den Arbeitsplatzerhalt angeht“, erklärte er. Das Land Berlin solle seinerseits bei seinen Zusagen bleiben. „Signa hält sich an die Zusagen, wir halten uns an die Zusagen. Das ist, glaube ich, das Wesen von Vereinbarungen“, sagte Evers.

Sein Verhandlungspartner Mathias Schulz von der SPD scheint anderer Auffassung zu sein. „Man muss ganz klar infrage stellen, ob der LOI so noch gültig ist“, sagte er. „Die vereinbarte Langfristperspektive scheint Signa überhaupt nicht zu interessieren, nach meiner Auffassung halten sie ihre Zusagen nicht ein.“

Denkmalschutz künftig bei Bauverwaltung

Im Verhandlungspapier findet sich noch eine weitere Vereinbarung, die Auswirkungen auf das Tempo haben dürfte, mit dem die Planungsprozesse an den Standorten Hermannplatz und City West vorangetrieben werden können: „Wir werden die obere Denkmalschutzbehörde und das Landesdenkmalamt wieder bei der für Bauen zuständigen Senatsverwaltung ansiedeln.“ Momentan ist der Denkmalschutz bei der Kulturverwaltung angesiedelt – und sieht Signas Absicht, am Ku’damm Hochhäuser zu bauen, bislang eher kritisch.

Auch zu Signas Plänen, am Hermannplatz die vollständige historische Kaufhausfassade aus den Zwanzigerjahren zu rekonstruieren, hatte sich das Landesdenkmalamt bislang zurückhaltend geäußert, da die Bauteile von 1929 und 1951/52 „zusammen aufgrund ihrer baugeschichtlichen , baukünstlerischen und städtebaulichen Bedeutung in die Denkmalliste eingetragen“ seien, wie ein Kulturverwaltungssprecher im Februar der „Taz“ sagte.

Dass das Landesdenkmalamt künftig der Bau - und nicht mehr der Kulturverwaltung unterstehen soll, dürfte zum Ziel haben, dass genau solche Blockaden nicht mehr zustande kommen, beziehungsweise – je nach Perspektive – mögliche Hebel gegen die Verwertungsinteressen von Signa nicht mehr genutzt werden können.

Ein Masterplan für die Berliner Mitte

Auch für andere zentrale Berliner Stadtentwicklungsprojekte hat die Verhandlungsgruppe Vereinbarungen getroffen. Besonderer Fokus liegt dabei auf der Berliner Mitte: Diese will die künftige Koalition „umfassend weiterentwickeln.“ Für den gesamten Bereich der Berliner Mitte soll daher ein städtebaulicher Masterplan entwickelt werden. Einen solchen Masterplan hat es bisher nicht gegeben, er ist aber schon lange Teil der Forderungen aus dem Umfeld der „ Planungsgruppe Stadtkern“, aus deren Netzwerk die heutige, und wohl auch künftige, Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt stammt.

Die Handschrift der „ Planungsgruppe Stadtkern“ trägt auch eine wesentliche Änderung, die die neue Koalition beim neuen Stadtquartier am Molkenmarkt verfolgen will: Bisher war die Bauherrenschaft auf den landeseigenen Liegenschaften strikt den beiden landeseigenen Wohnungsgesellschaften (LWU) WBM und Degewo vorbehalten. Nun heißt es: Man werde die zuvor genannten Qualitäten „mit den LWU und gemeinwohlorientierten Bauherren realisieren“. Gemeinwohlorientierung könnte sowohl Genossenschaften als Bauherren bedeuten, als auch Stiftungen. Letzteres hatte Kahlfeldt schon häufiger als Wunsch geäußert.

Aus dem Umfeld der „ Planungsgruppe Stadtkern“ war schon lange Kritik an der Bauherrenschaft der landeseigenen Wohnungsunternehmen am Molkenmarkt zu vernehmen, inklusive der Versuche, die Grundstücke in kleinere Grundstücke zu untergliedern, die dann auch von privaten Bauherren oder eben von Stiftungen und Genossenschaften bebaut werden könnten. Das könnte allerdings einer innovativen, flexiblen Grundrissgestaltung im Wege stehen, wie sie als Ergebnis eines Bürgerbeteiligungsverfahrens für den Molkenmarkt festgeschrieben worden ist. Der Koalitionsvertrag könnte nun aber in diese Richtung gehen.

Unklar: Rathaus- und Marx-Engels-Forum

In unmittelbarer Nachbarschaft zum Molkenmarkt befindet sich das Rathaus- und Marx-Engels-Forum – ebenfalls seit Jahren Gegenstand städtebaulicher Kontroversen und eines aufwändigen Dialogprozesses, der zuletzt in einen Wettbewerb zur Freiraumgestaltung führte. Auf der Grundlage des im August 2021 bekanntgegebenen Siegerentwurfs soll das Forum „als öffentlicher und nachhaltiger Freiraum zügig partizipativ realisiert werden.“ Das jedenfalls ist die SPD-Position – für die CDU hingegen ist das Wort „strittig“ im Papier vermerkt.

Keine vollständig gemeinsame Linie haben die beiden Parteien bislang außerdem bei der ebenfalls kontrovers diskutierten Wiedererrichtung der Bauakademie . Einig ist man sich zwar darüber, dass die Wiederrichtung der historischen Fassade „sichergestellt“ werden soll. Unklar ist aber noch der Weg: Die CDU wünscht sich „den Erlass einer Gestaltungsverordnung“, die SPD hingegen „eine entsprechende mit dem Bund und der Stiftung Bauakademie abgestimmte Ausgestaltung des Wettbewerbstextes für den Gestaltungswettbewerb“.

Bauherr der Bauakademie am Standort der historischen Schinkelschen Bauakademie ist der Bund, vertreten durch die Bundesstiftung Bauakademie , die es sich wiederum zum Ziel gesetzt hat, hier ein „Demonstrationsprojekt einer klimagerechten Zukunft des Bauens “ zu errichten, was eine Eins-zu-eins-Fassadenrekonstruktion faktisch ausschließen würde .

Das Land könnte versuchen, durch das Erlassen einer Gestaltungsverordnung dem Bund Vorschriften zu machen. Dass die Fassade der Bauakademie tatsächlich wieder in jeder Einzelheit rekonstruiert wird, ist damit aber nicht gesagt: Die Bundesstiftung könnte sich auch einfach dafür entscheiden, gar nicht zu bauen – was als klimafreundlichste Variante tatsächlich diskutiert wurde.

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