Koalitionsverhandlungen: CDU und SPD in Berlin planen ein „Schnelles- Bauen -Gesetz“
Berliner Morgenpost vom 1.04.2023 von Jens Anker

Berlin Die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD zur Bildung einer neuen Landesregierung stehen vor dem Abschluss. Am kommenden Montag will die designierte neue Landesregierung den fertigen Koalitionsvertrag vorstellen.

Zuletzt haben CDU und SPD über die zentralen Themen Stadtentwicklung , Mobilität und Klima verhandelt. Vor allem beim Wohnungsbau will die kommende Landesregierung eigene und neue Schwerpunkte setzen. So planen CDU und SPD ein „Schnelles- Bauen -Gesetz“, um die Entstehung neuer Wohnungen zu beschleunigen.

Das teilten der CDU-Chef und voraussichtliche neue Regierende Bürgermeister Kai Wegner und die SPD-Vorsitzende Franziska Giffey am Freitag am Rande der Koalitionsverhandlungen mit. Geplant ist demnach, zahlreiche Vorschriften etwa in der Landesbauordnung zu vereinfachen und schnellere Genehmigungsverfahren zu ermöglichen.

„Hier wird richtig Tempo aufgenommen, damit wir die hohe Zahl von bis zu 20.000 Wohnungen auch wirklich erreichen können“, sagte Wegner. Das Ziel von durchschnittlich 20.000 neu gebauten Wohnungen pro Jahr hatte schon die bislang regierende rot-grün-rote Koalition ausgegeben, es aber bislang deutlich verfehlt.

Um nun schneller zu bauen , soll die Bauordnung deutlich verschlankt werden. Künftig solle es weniger Vorgaben geben. Das sei keine Absage an den Klimaschutz, sagte CDU-Fraktionsgeschäftsführer Stefan Evers. Auch künftig würden grüne Dächer und Fassaden gefördert, aber eben nicht mehr vorgeschrieben.

Außerdem wollen CDU und SPD einen Milliardenbetrag in die Hand nehmen, um bislang private Wohnungen in Landesbesitz zu bringen. Ziel sei es, den landeseigenen Bestand von derzeit rund 400.000 Wohnungen auf 500.000 aufzustocken, kündigte Giffey an.

Dazu soll das Eigenkapital der Wohnungsgesellschaften aufgestockt werden. Genossenschaften sollen ebenfalls mehr Geld erhalten, um ihren Bestand zu erhöhen. Beschleunigung erhofft sich die neue schwarz-rote Landesregierung auch durch Kooperationen mit privaten Investoren. „Private Investoren sind eindeutig willkommen“, sagte Evers mit Blick auf die offene Enteignungsfrage großer Immobilienkonzerne. Im Mai will die Expertenkommission zur Klärung der durch den erfolgreichen Volksentscheid aufgekommenen Forderung ihren Abschlussbericht vorstellen. Schon in der bestehenden Landesregierung gab es Bestrebungen, die Forderungen der Initiatoren durch den massiven Rückkauf von Wohnungen obsolet werden zu lassen.

Auch für den Mieterschutz soll es mehr Geld geben. „Wir wollen den Mieterschutz schärfen“, sagte Wegner. Es soll mehr Geld für die Mieterberatung und eine Ombudsstelle zur Überprüfung der Mietpreisbremse geben. Außerdem will die künftige Koalition nach Möglichkeiten suchen, die Umgehung der Mietpreisbremse durch das Anbieten von möblierten Wohnungen zu bekämpfen. Das wird allerdings voraussichtlich nur gelingen, wenn das entsprechende Bundesrecht geändert wird.

Die ehrgeizigen Wohnungsbauziele von CDU und SPD fallen ausgerechnet in eine Zeit, in der sich die Immobilienwirtschaft in der Krise befindet. Die Zahl der genehmigten Wohnungen ist in der Hauptstadt das sechste Jahr in Folge gesunken. Wie das Landesamt für Statistik Berlin -Brandenburg am Freitag mitteilte, wurden im vergangenen Jahr 15.186 Wohnungen in Neubauten genehmigt und damit 10,7 Prozent weniger als ein Jahr zuvor.

Hinzu kamen 1782 Wohnungen (minus 4,1 Prozent) in bestehenden Gebäuden, zum Beispiel durch Nutzungsänderungen oder Dachgeschossausbauten. 2017 wurden noch 21.562 neue Wohnungen genehmigt.

Die Zahl der Baugenehmigungen ist mit Blick auf den Mangel an Wohnraum ein wichtiger Indikator für die Entwicklung der Stadt. Im vergangenen Jahr sind die Preise für Baumaterialien deutlich gestiegen, gleichzeitig aber auch die Zinsen für Kredite. Viele Menschen haben daher von ihren Bauplänen zumindest vorerst Abstand genommen, auch Investoren agierten zurückhaltender. „Der Neubau ist fast zum Erliegen gekommen“, räumte CDU-Fraktionsgeschäftsführer Evers am Freitag ein.

Besonders deutlich zeigte sich das im vergangenen Jahr in der Zahl der genehmigten Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern: 1219 neue Wohnungen sollten in solchen Gebäuden entstehen. Das entspricht einem Minus von 18,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Baubranche sieht sich bereits in einer schweren Krise, der Mieterbund und die Gewerkschaft IG Bau warnten angesichts des akuten Wohnungsmangels bereits vor einem „Desaster am Wohnungsmarkt“.

Die Fachgemeinschaft Bau fordert vor dem Hintergrund sinkender Genehmigungszahlen deutlich mehr Tempo bei der Digitalisierung der Verwaltung, um Verfahren zu beschleunigen.

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