Pläne für Berlins Mitte greifen zu kurz
Berliner Morgenpost vom 06.04.2023 von Isabell Jürgens

Die durch Kriegszerstörung, Teilung und Umbau zur autogerechten Stadt entstandenen unwirtlichen Brachen und Schneisen in Berlins Mitte möglichst dicht orientiert am historischen Stadtgrundriss wiederherzustellen, war nach der Wiedervereinigung erklärtes Ziel der Stadtplaner. Doch in den vergangenen sieben Jahren unter einer rot-rot-grünen beziehungsweise rot-grün-roten Landesregierung änderte sich das.

Nun traten Bestrebungen in den Vordergrund, die auch die Erinnerung an die DDR-Zeit im Stadtbild erhalten wollten und in den Brachen eine Chance für eine klimagerechte Umgestaltung sowie neue Sozialwohnungen mitten im Herzen der Stadt sahen. Dass im schwarz-roten Koalitionsvertrag nun Projekte wie die Umgestaltung des Marx-Engels-Forums zur Grünfläche fehlen, weckt insbesondere bei Anhängern der Linken und Grünen die Befürchtung, dass beim Thema Stadtentwicklung jetzt andere Prioritäten gesetzt werden. Nicht ganz zu Unrecht, wie aus CDU-SPD-Verhandlungskreisen verlautet.

Doch der geschundenen Mitte Berlins kann ein neues Nachdenken nur gut tun. Dass auch der Berliner Stadtkern eine grüne Lunge benötigt, ist sicher richtig. Aber die Maßgabe, dass am Molkenmarkt nur landeseigene Unternehmen vor allem Sozialwohnungen errichten sollen, greift zu kurz. Ein gemischtes Quartier mit kleinteiliger Bebauung, mit detailreichen Fassaden und anspruchsvoller Architektur kann so jedenfalls nicht entstehen. Genossenschaften, Baugruppen und gemeinwohlorientierte Stiftungen mit einzubeziehen, ist der richtige Weg. Auf die Berliner Mischung kommt es an – auch in der historischen Mitte

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