Tagesspiegel vom 10.04.2023 von Nikolaus Bernau

Die Denkmalpflege beschäftigt sich mit historisch gewordenen Gärten, Parkanlagen, archäologischen Fundstätten, vor allem aber mit Bauten. Also erscheint es zunächst logisch, sie mit den Bauverwaltungen zusammen zu legen, um Verzögerungen bei Sanierungen, Umbauten und Erweiterungen zu vermeiden. Dann können sich alle an einem Projekt Beteiligten besser absprechen und alles geht hoffentlich schneller.

Genau diese Zusammenlegung steht jetzt auch im Vertrag von SPD und CDU, die, wie Franziska Giffey sagte, ja vor allem einmal eines wollen: „Bauen, bauen , bauen“. Der Denkmalschutz würde also aus der aktuell zuständigen Kulturverwaltung herausgelöst. Und genau deswegen gilt allergrößte Vorsicht, ja, unter Denkmalpflege-Interessierten herrscht bereits leichte Panik solcher Sätze wegen, die an die 1960er und 1970er mit ihrer rabiaten Neubau-Politik erinnern.

Den Bestand schützen

Es hat sich nämlich in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gezeigt, dass in einer gemeinsamen Verwaltung aller Planungs- und Baubehörden der Schutz des Bestands bestenfalls Nebensache ist - die nur dann gelobt wird, wenn er neue Ideen nicht stört. Das gilt nicht nur, aber gerade in Berlin, wo traditionell die Traditionsfeindschaft groß ist, das Versprechen des Neuen deswegen politisch viel interessanter erscheint als der oft langweilig erscheinende Denkmalschutz.

Als genuiner Denkmal-Senator hat sich auch deswegen seit 1990 alleine der aktuelle Kultursenator Klaus Lederer betrachtet – und selbst in seiner Zeit geschahen vollkommen unnötige Desaster wie der von der Katholischen Kirche durchgesetzte Radikalumbau der Hedwigskathedrale oder der von den Wohnungsbaupolitikern vor allem der SPD vorangetriebene Abbruch des Jugendzentrum an der Rathenower Straße, um dort nach Schema F Appartements hinklotzen zu können.

Lederer hat eine gute Bilanz

Unter Lederer gelang es dagegen immerhin, Viertel der Zweiten Nachkriegsmoderne in West- wie in Ost- Berlin oder das ICC unter Schutz zu stellen – das die SPD über Jahrzehnte tatkräftig verhindert hat. Im Unterschied zu Wasserschutz, Baustatikprüfungen oder Feuerwehr ist die Denkmalpflege genau wie der Naturschutz reine Verhandlungsmasse. Während jene schlichtweg ein Veto einlegen können, gegen das nur Neuplanung hilft, zieht gerade in Berlin oft schon das Argument wirtschaftlicher Unzumutbarkeit.

Das haben sogar Senate schon angebracht, etwa, um einen der wenigen wirklichen Bauhaus - Bauten in Oberschöneweide abreißen oder Naturschutzgebiete verkleinern zu lassen. Noch stärker wirkt die informelle Macht der Institutionen: Gegen die Deutsche Bahn, die Post, den Bund, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu argumentieren, ist meistens vergeben. Siehe das Desaster im Pergamonmuseum, das nun mindestens bis 2037 teilweise gesperrt bleibt und mindestens 1,5 Milliarden Euro kosten wird. Es waren die Denkmalpfleger, die - damals in der Bauverwaltung verankert - vergeblich vor dem Riesenumbau gewarnt hatten. Nur hatten sie nie die politische Unterstützung, die nötig gewesen wäre.

Schützenswerter Brutalismus

Es war die Denkmalpflege, die schon in den 1960ern vor dem Abriss der Mietskasernen warnte, später zum Schutz der Ersten Nachkriegsmoderne, des Brutalismus, der Zweiten Nachkriegsmoderne aufrief. Jetzt bauen wir teuer wieder kaiserzeitlich hochverdichtet, sollen Wohnungen zurückkaufen, die Stadtplaner zu Zeiten der vergangenen „Großen Koalition“ eigentlich platt machen wollten.

Neubau und der Schutz des Bestands stehen oft gegeneinander. Es geht also um ein Aushandeln. Dafür müssen aber die Interessen und Ansprüche klar markiert werden können. Wenn sie schon in den Verwaltungen unter dem Druck der Politik flach geschliffen werden, wie es bis vor wenigen Jahren der Fall war, kommt die Debatte über das, was wir wollen, in aller Regel entweder gar nicht oder zu spät zum Tragen. Dann, wenn alles entschieden ist.

Ehrlichkeit tut not

Idealerweise sollten also alle dem Bestand verpflichteten Schutz-Verwaltungen entweder direkt der Politik zuarbeiten oder sogar ganz unabhängig agieren, der Politik auch mal öffentlich sagen können: Wenn ihr das macht, wird das diese und jene Folge haben, überlegt noch mal genau, was notwendig ist – und was nur gewünscht wird.

Fortschritt und Effizienz, gar Nachhaltigkeit messen sich nämlich nicht in Kubikmeter umbauten Raums oder der Zeit, in der diese in die Stadt gewuchtet werden. Und wenn schon dieses Ideal der unabhängigen Verwaltung nicht durchzusetzen ist – dann wenigstens die Trennung von Planen und Schutz. Egal, wer Kultursenator wird: Um den Denkmalschutz sollten er oder sie kämpfen. Nicht, weil sie besonders viel Freunde versprechen, ganz im Gegenteil: Weil sie Stress machen sollen, Konflikte öffentlich zeigen, die sonst im Verborgenen der soundso schon viel zu oft geradezu klandestin handelnden Berliner Bauverwaltung bleiben.

Immer und immer wieder hat sich nämlich gezeigt: Diejenigen, die zur Vorsicht, zur Bescheidenheit, zum zweiten und dritten Nachdenken aufriefen, auch mal dazu, ein Projekt schlichtweg sein zu lassen, behielten am Ende Recht, ökonomisch, kulturell, ästhetisch. Vor allem aber machten sie erst jene Debatte möglich, die angesichts der Klimakatastrophe über wirklich jedes Bauprojekt geführt werden muss: Ist es Notwendig oder nur wünschbar?

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