Das Umfeld des Schlosses soll umgestaltet werden. Doch für das Flussbad wird es schwierig
Berliner Zeitung vom 13.04.2023 von Maritta Tkalec

Für drei heiß umkämpfte Vorhaben im historischen Berliner Zentrum rund um den Schlossnachbau gibt der schwarz-rote Koalitionsvertrag die Richtung vor: den Schlossbrunnen, die Freitreppe zum Spreekanal und das dort denkbare Flussbad. Alle drei Vorhaben hängen miteinander zusammen und stecken voller ideologisch aufgeladener Debatten. Berlin kann nun davon ausgehen, tatsächlich zwei neue Attraktionen zu bekommen. Im Koalitionsvertrag heißt es:
„Mit dem Projekt Freitreppe soll der öffentliche Raum auf der Spreeinsel aufgewertet werden, am historischen Standort des Neptunbrunnens wird eine Brunnenanlage errichtet.“

Sorgen der Denkmalfreunde

Das heißt – und jetzt wird es wirr: Der Neptunbrunnen, der von den Bürgern Berlins 1891 als Schlossbrunnen dem Kaiser geschenkt wurde und bis 1951 seinen Platz auf dem Schlossplatz hatte, kommt nicht an seinen historischen Standort zurück, sondern dort wird eine nicht näher beschriebene, moderne Brunnenanlage errichtet. Der stark sanierungsbedürftige Neptun vom Schlossbrunnen bleibt vor dem Roten Rathaus.

Die 38 Meter breite „Schlossfreiheit“ genannte Freitreppe zwischen dem Sockel des Einheitsmals und der Schlossbrücke wird als große Sitzstufenanlage, teilweise mit Holzpodesten, für Hunderte Menschen angelegt – mit Blick über das Wasser des Spreekanals in die Abendsonne, auf die blinkenden goldenen Kügelchen der Friedrichswerderschen Kirche, das ehemalige DDR-Staatsratsgebäude.

Das Humboldt-Forum im Berliner Schloss freut sich über Brunnen wie Treppe, denn bisher ist das Gebäude umzingelt von einer Steinwüste, die Besucher durcheilen, statt dort zu verweilen. Pressesprecherin Andrea Brandis sagt: „Am historischen Standort des Schlossbrunnens würde die Aufenthaltsqualität besonders in den heißen Monaten des Jahres unserer Ansicht nach durch einen Brunnen sowie Verschattungsmöglichkeiten verbessert.“ Insbesondere der Bereich Richtung Breite Straße sei „in Anlehnung an die Gestaltung des historischen Schlossplatzes ohne Verschattungsmöglichkeiten“ geplant worden. Das erscheine „nicht mehr zeitgemäß“. Eine der vielen, am Humboldt-Forum erforderlichen Korrekturen wird nun offenbar erfolgen – wenn auch mit zusätzlichen Kosten.

Zur Freitreppe vor dem Eosanderportal sagt Andrea Brandis: „Entsprechende Initiativen und Ideen unterstützen wir nach Kräften.“ Intendant Hartmut Dorgerloh erklärt seit langem, er halte das für „eine sehr schöne Idee“, weil „wir wollen, dass sich dort das einheimische und das touristische Publikum mischt“.

Projekt Nummer drei, das Baden in der Spree, sieht sich mittlerweile mit wachsender Skepsis konfrontiert. Flussbad e.V. findet im neuen Koalitionsvertrag keine Erwähnung mehr. Seit dem Jahr 2012 setzt sich der Verein für die Idee ein, das Wasser im Spreekanal auf 850 Metern Länge so sauber zu bekommen, dass Schwimmen inmitten der Stadt möglich wird. Anfangs fanden viele, auch CDU und SPD, die Idee sehr reizvoll. Vier Millionen Euro standen zunächst für das Projekt zur Verfügung. Als im vergangenen Jahr der FDP-Abgeordnete Felix Reifschneider beim Senat nachfragte, hieß es: Sechs Millionen Euro seien verbraucht. Doch sichtlich vorangekommen ist das Projekt nicht. 2022 stellte Flussbad e.V. im Ergebnis mehrjähriger Tests einen Plan vor, wie das Wasser kostengünstiger zu säubern wäre als durch Einsetzen von Filterpflanzen auf einem 300 Meter langen und 16 Meter breiten Abschnitt des Spreekanals.

Die Kritik ist vielfältig. Schon früh sorgten sich die Freunde der Museumsinsel und des Denkmalschutzes, Badende und die Schätze der Welt auf der Museumsinsel passten nicht zusammen. Parzinger befürchtete 2017 den Verlust des Unesco-Welterbestatus der Museumsinsel.

2022 sahen die Freunde der nahe gelegenen Einheitswippe durch Freitreppe und Flussbad die Würde des Mahnmals in Gefahr. Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, SPD, sprach von einer „baulichen Verachtung des Denkmals, das an das glücklichste Ereignis der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert“ erinnere. Doch auch die Einheitswippe hatte von Anfang an scharfe Kritiker.

Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt sprach sich im vergangenen Jahr ebenfalls deutlich gegen das Projekt Flussbad aus mit der Begründung, es würde dem Ort um den Dom die Festlichkeit nehmen.

Starke Einwände gegen Treppe und Flussbad trägt der Ingenieur Ralf Steeg vor, der seit Jahrzehnten für eine sauberere Spree kämpft. Er sieht das Projekt Flussbad e.V. finanziell als Sickergrube für öffentliche Gelder. Im Gespräch mit der Berliner Zeitung warf er Flussbad e.V. vor, „mit Riesentrara“ nichts als Greenwashing zu betreiben, und fordert die Einstellung des Projekts. Auf ihn gehen unter anderem die mit öffentlichen Geldern finanzierten schwimmenden Behälter im Osthafen zurück, die seit 2012 bei Starkregen den Schwall von Wasser samt Straßendreck und Hundekot auffangen, statt sie ungeklärt in die Spree zu leiten.

Seit Jahrzehnten ist der Überlauf als Hauptverursacher für die Spreeverschmutzung bekannt. Bevor dieses Berliner Problem der gemeinsamen Ableitung von Dreck- und Regenwasser in den Fluss nicht gelöst ist, sieht Ralf Steeg keine Chance für das Baden in der Spree. Die Millionen sollten nach seiner Ansicht nicht in aussichtslose Experimente zu Säuberung kleiner Gewässerabschnitte in Mitte gesteckt, sondern eher in den Außenbezirken eingesetzt werden, etwa für Uferwanderwege.

Der neue Koalitionsvertrag bleibt allgemein: „Die Sauberkeit der Gewässer hat für uns einen hohen Stellenwert. Wir treiben Sanierungsmaßnahmen, etwa im Landwehrkanal, der Spree innerhalb des Rings und dem Rummelsburger See, weiter voran.“

Jan Edler, Vorstand von Flussbad e.V., wehrt sich vehement gegen die Vorwürfe der Kritiker, sieht sie als eine „kleine, aber sehr aktive Gruppe“, die mit einer „massiven, ideologisch motivierten, populistisch geführten, bewusst irreführenden und teilweise auf unbelegten Falschbehauptungen beruhenden Kampagne“ versuchten, „Politiker:innen und Entscheider:innen zu Fehlurteilen und damit zur Beendigung des Projektes zu verleiten“. Der Ton der Auseinandersetzung ist scharf, keine Seite scheut vor Diffamierungen zurück.

Im neuen Koalitionsvertrag erkennt Jan Edler keine Einschränkung des Projektes: Dank der mehrjährigen Forschung könne das Projekt Flussbad ohne qualitative Einbußen „wesentlich verschlankt“ werden – einfacher, ökologischer und kostengünstiger. Vorgeschlagen wurde 2022, das Wasser durch zusätzliche UV-Behandlung zu reinigen und im Notfall den Zulauf zum Spreekanal oberhalb des Schilfstreifens für kurze Zeit zu schließen, damit die Fäkalien nicht in den Badebereich gelangen. Das Schilf müsse dann auch nur in den Uferbereichen gepflanzt werden. Angesichts des schon Geleisteten sei es „vollkommen unsinnig, die Idee jetzt aufzugeben“. Das Freiwasserschwimmen der im Juni in Berlin stattfindenden Paralympics sollte eigentlich im Spreekanal stattfinden – es ist nach Grünau verlegt worden.

Die Freitreppe gehörte anfangs zur Flussbade -Idee. Wie Jan Edler sagt, wurde 2017 die Idee fallen gelassen, hier auch einen Wassereinstieg mit Umkleiden im historischen Denkmalsockel zu schaffen. Die Freitreppe endet laut derzeitiger Planung etwa einen Meter über dem Wasserspiegel.

In den Projektdaten für die Freitreppe, die im Rahmen des Programms „Nationale Projekte des Städtebaus“ entsteht, führt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die DSK GmbH und Flussbad Berlin e.V. als Projektträger auf. Die Deutsche Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft (DSK) ist als bundesweit tätiger Stadtentwickler beteiligt. Die dort vorgesehenen Kosten von insgesamt 7,26 Millionen Euro tragen demnach mit 3,78 Millionen der Bund und 3,48 Millionen Euro das Land Berlin. Der Förderzeitraum läuft Ende 2023 aus.

Streit um Zahlen

Flussbad e.V. erhält nach Auskunft von Jan Edler Gelder für „prozessbegleitende“ Maßnahmen vom Bundesbauministerium und vom Land Berlin. Eine Summe nennt er nicht, bestreitet jedoch vehement eine von Ralf Steeg verbreitete Zahl. Der hatte per Twitter geschrieben, Flussbad e.V. bekomme seit Jahren monatlich circa 10.400 Euro für „projektbegleitende Maßnahmen“, und bezweifelt den Sinn dafür, da doch auch ein Planungsbüro beteiligt sei.

Edler nennt das „eine vermutlich ausgedachte Zahl“. Als Beispiele für Prozessbegleitung – nicht Projektbegleitung, wie Steeg falsch schreibt – nennt Edler drei geförderte Aufgaben: Erstens Forschung, Entwicklung und Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen des „Fluss Bad Projektes“, zweitens die inhaltliche Unterstützung des Weiteren Planungsprozesses, zu dem auch die Freitreppe gehört. Und drittens, noch breiiger, die Beteiligung an „verwaltungsseitigen Abstimmungsprozessen“. Für das interessierte Publikum klingt das nicht nach klaren, transparenten Verfahren.

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