Aus der CDU werden weitere Personalien für die künftige schwarz-rote Landesregierung bekannt
Berliner Morgenpost vom 14.04.2023 von Jessica Hanack und Dominik Bardow

Die Entscheidungen der SPD-Mitglieder sowie der CDU-Delegierten über das schwarz-rote Bündnis in Berlin stehen noch aus, dennoch lässt sich inzwischen etwas genauer absehen, wer dem neuen Senat angehören könnte. Wie bekannt hatte CDU-Chef Kai Wegner bereits im Wahlkampf erklärt, dass Katharina Günther-Wünsch Bildungssenatorin werden solle, dazu kommt Musikmanager Joe Chialo , der als Wunschkandidat für das Amt des Kultursenators benannt wurde. Zudem wird die Union die Verkehrsverwaltung verantworten – für die sich nun abzeichnet, dass Manja Schreiner die Leitung übernimmt und damit auf die Grünen-Politikerin Bettina Jarasch folgt.

Schreiner ist Vizechefin der Berliner CDU, außerdem leitet sie die Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg. Ihr wurden schon zuletzt Senatsambitionen nachgesagt, die jedoch eigentlich der Wirtschaftsverwaltung gegolten haben sollen, die aber unter SPD-Führung bleibt. Stattdessen soll es also nun die große Senatsverwaltung für Mobilität, Umwelt- und Klimaschutz werden. Das zuletzt ebenfalls dort angegliederte Ressort für Verbraucherschutz soll künftig zur Justizverwaltung gehören. Zuerst hatte über Schreiners mögliche neue Aufgabe der „Tagesspiegel“ berichtet.

Eine offizielle Bestätigung eines CDU-Sprechers gab es am Donnerstag nicht, in der Partei wurde die angestrebte Besetzung des Amts der Verkehrssenatorin aber auch nicht dementiert. In den Koalitionsverhandlungen gehörte Schreiner der Dachgruppe an, außerdem leitete die 44-Jährige die Facharbeitsgruppe für die Themen Wirtschaft, Energie, Technologie und Betriebe und verhandelte im Bereich Stadtentwicklung mit. An der Spitze der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg, eines Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbands für kleine und mittelständische Bauunternehmen , steht Schreiner seit 2018. Ein Jahr später wurde die promovierte Juristin unter dem damals neuen Berliner CDU-Chef Wegner dann stellvertretende Landesvorsitzende.

Manja Schreiner wirbt für Verkehrsmix für Berlin

Auf ihrer Website wirbt Schreiner für einen „ Verkehrsmix “ aus guten Straßen, Rad- und Fußwegen sowie einem starken ÖPNV, da nur dieser den verschiedenen Bedürfnissen der Berliner gerecht werde. „Wichtig ist mir, dass wir einen fairen und sinnvollen Ausgleich zwischen den verschiedenen Verkehrsteilnehmern erreichen – ohne Verbote und Bevormundung, sondern mit innovativen Angeboten und guten Alternativen“, schreibt sie weiter.

Neben der möglichen neuen Verkehrssenatorin wurde zuletzt auch eine weitere Personalie aus der Senatsbildungsverwaltung bekannt: Der langjährige Neuköllner Stadtrat Falko Liecke könnte als Staatssekretär für den Bereich Jugend die designierte Bildungssenatorin Günther-Wünsch unterstützen. Offiziell werden die Kandidatinnen und Kandidaten für die Posten der Staatssekretäre erst später vorgestellt, nachdem die Leitungen der Senatsverwaltungen feststehen, weshalb eventuelle Besetzungen hier noch mehr unter Vorbehalt stehen.

Liecke selbst kommentierte die Pläne seiner Partei mit einem „Wir werden sehen“ und zeigte sich unglücklich über die frühe Berichterstattung. Aus Respekt vor den Abstimmungen der SPD-Mitglieder und CDU-Delegierten über den Koalitionsvertrag wolle er nicht vorgreifen. „Aber klar wäre das eine spannende Aufgabe“, sagte der 50-Jährige über einen möglichen Aufstieg von der Bezirks- auf die Landesebene. Liecke hatte bei den Koalitionsverhandlungen ebenfalls der Dachgruppe angehört und außerdem die Gruppe für die Themenfelder Gesundheit und Pflege geleitet. In Neukölln ist er zurzeit Sozialstadtrat, zwischen 2011 und 2021 war er für die Bereiche Jugend und Gesundheit zuständig. Zuletzt galt er auch als Bürgermeisterkandidat der CDU in Neukölln, wobei die Zeichen dort eher darauf hindeuten, dass der SPD-Politiker Martin Hikel sein Amt behält, auch wenn die Christdemokraten auf Bezirksebene stärkste Kraft geworden sind.

Auf Twitter sorgte die Nachricht, dass Liecke Jugendstaatssekretär werden könnte, prompt für Kritik – von diversen Linken- und Grünen-Politikern, aber auch aus den Reihen der SPD. Liecke bringt durch seine langjährige Erfahrung im Bezirksamt durchaus Verwaltungsexpertise mit, hat in den vergangenen Jahren aber immer wieder scharfe Töne angeschlagen, wenn es beispielsweise um Integration, Clan-Kriminalität oder religiösen Fundamentalismus ging.

Die Berliner Jusos, die die schwarz-rote Koalition ohnehin ablehnen, schrieben auf Twitter, Liecke falle immer wieder mit „antimuslimischen, rassistischen Aussagen und Handlungen“ auf. Auch sozialpolitisch sei er „untragbar“ für Sozialdemokraten. Der SPD-Abgeordnete Orkan Özdemir, ebenfalls Kritiker der großen Koalition, twitterte: „Ich bin absolut schockiert ob dieser Entscheidung.“ Falko Liecke reagierte auf die Tweets gelassen. „Ich sehe, was auf Twitter geschrieben wird, aber reagiere nicht darauf. Das ist offensichtlich eine linke Hetzkampagne, ein Shitstorm, der gegen mich losgetreten wird“, sagte er der Berliner Morgenpost. Das Wahlergebnis zeige, „dass ich mit meinen Positionen nicht so falsch liege“, so Liecke weiter. Auch auf den Mitgliederentscheid blickt er zuversichtlich: „Ich glaube, die SPD-Mitgliederschaft wird eine gute Entscheidung treffen, von daher bin ich da nicht aufgeregt.“

Noch bis zum 21. April haben die SPD-Mitglieder Zeit, über den Koalitionsvertrag mit der CDU abzustimmen. Bislang hat sich rund ein Viertel der Berliner Sozialdemokraten beteiligt, 5052 Stimmbriefe seien bei der Deutschen Post und in der Landesgeschäftsstelle eingegangen, sagte ein SPD-Sprecher. Damit ist klar, dass die Mindestbeteiligung erreicht wird.

Noch scheint, auch unter Grünen und Linken, ein wenig Hoffnung zu herrschen, dass am Ende doch etwas in Richtung Rot-Grün-Rot geht, sofern sich die Mehrheit der Sozialdemokraten gegen das schwarz-rote Bündnis ausspricht. „Weil gerade viel behauptet wird: Wir haben uns immer deutlich für die Fortsetzung von #RGR ausgesprochen. Wir haben einen Koalitionsvertrag für diese Wahlperiode geschlossen und die Sondierungen mit dem Ziel geführt, die Koalition fortzusetzen“, twitterte Grünen-Spitzenkandidatin Jarasch. Das sei immer noch möglich.

Ich sehe, was auf Twitter geschrieben wird, aber reagiere nicht darauf.

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