Focus online vom 18.04.2023

Eine neue Ausstellung in der Berliner Akademie für Künste beleuchtet das Planen und Bauen während der NS-Diktatur. Grundlage dafür sind die Ergebnisse eines Forschungsprojekts einer Historikerkommission, die 2017 vom Bundesbauministerium beauftragt wurde. 28 Forscherinnen und Forscher untersuchten mehr als fünf Jahre lang, inwieweit die in der NS-Zeit für das Planen und Bauen zuständigen Behörden und Menschen in die Verbrechen des nationalsozialistischen Staates eingebunden waren.

Die Erforschung sei hochkomplex gewesen, da es keine Vorgängerinstitution eines Bauministeriums gegeben habe, sagte Bauministerin Klara Geywitz (SPD) am Dienstag bei der Vorstellung der Ausstellung. Das Bauen und Planen im Nationalsozialismus sei verteilt gewesen über viele unterschiedliche Ressorts für Wohnungs- und Städtebau sowie zahlreiche Sonderverwaltungen.

Den großen Repräsentationsbauten, die aus der NS-Zeit vor allem bekannt sind, weist die Ausstellung eher einen Nebenschauplatz zu. Diese spielten beim Bauen und Planen im Nationalsozialismus insgesamt nicht die große Rolle, sagte Kurator Benedikt Goebel. Das Verbrecherische seien vielmehr die mörderischen Produktionsbedingungen gewesen. «Das Bausystem , das vor allem aus dem Bau von Lagern, Baracken, Bunkern und Straßen bestand, wäre ohne KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter völlig unmöglich gewesen.» Mit dem Wissen darüber hätten viele Baufachleute , Architekten und Bauunternehmern daher eine Mitverantwortung für die Ausübung von Gewalt und Verbrechen.

Die Ausstellung beleuchtet 150 Biografien von Bauschaffenden , die vor 1945 im Bauwesen leitend tätig waren - und von denen die meisten nach dem Krieg ihre Karrieren fortsetzen konnten. In den Blick genommen werden neben Tätigkeiten im Deutschen Reich auch die Raumplanungen, mit denen die besetzten Länder im Osten im Sinne der NS-Ideologie umgestaltet werden sollten. Darüber hinaus zeigt die Schau Querbezüge zu anderen Ländern - und stellt die Frage, wie heute mit den baulichen Relikten der NS-Zeit umgegangen werden soll.

Neben etwa 450 Fotos und Zeichnungen werden Filmmaterial und Modelle gezeigt, darunter ein drei mal zwei Meter großes Holzmodell der vom Architekten Hermann Giesler entworfenen Ost-West-Achse, die durch München führen sollte. Nach Angaben von Goebel ist es das einzige noch existierende zeitgenössische Architekturmodell aus der NS-Zeit. Die Ausstellung ist bis zum 16. Juli zu sehen, der Eintritt ist frei.

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