Berliner Zeitung Online vom 21.04.2023

Die Baukommission billigt die Pläne für neue Büros im Luisenblock Ost. Aber sind diese überhaupt nötig, wenn sich das Parlament doch verkleinert?

Obwohl die Verkleinerung des Bundestags inzwischen beschlossen ist, sollen im Parlamentsviertel immer mehr Büros entstehen. Die Bundestags- Baukommission hat jetzt die Pläne für den Bau von 600 Büros im sogenannten Luisenblock Ost in Mitte gebilligt, wie die Berliner Zeitung aus Bundestagskreisen erfuhr. Die Neubauten sollen rund 893 Millionen Euro kosten.

Die veranschlagte Summe setzt sich zusammen aus Gesamtbaukosten in Höhe von rund 580,4 Millionen Euro, einer prognostizierten Baupreisveränderung in Höhe von 221 Millionen Euro und Risikokosten mit „sehr hoher Eintrittswahrscheinlichkeit“ in Höhe von rund 65,2 Millionen Euro sowie weitere ermittelte Risikokosten von rund 26,4 Millionen Euro.

Der Luisenblock Ost ist ein rund 46.000 Quadratmeter großes Areal zwischen Luisenstraße, Schiffbauerdamm und S-Bahn-Trasse. Dort stehen denkmalgeschützte Altbauten wie die frühere DDR -Generalstaatsanwaltschaft und nicht denkmalgeschützte Bauten wie ein von 1910 bis 1912 im neuklassizistischen Stil errichtetes Haus am Schiffbauerdamm 19, das der Gewerkschaft Verdi gehört. Große Teile des Areals sind unbebaut. Haupteigentümer der Flächen ist der Bund, der den Luisenblock Ost vornehmlich dazu nutzen will, um Büros und Konferenzräume für den Bundestag zu errichten.

Im ersten Schritt sollen im rund 16.000 Quadratmeter großen westlichen Teil des Areals 600 Büroeinheiten, darunter 330 Abgeordnetenbüros, vier Ausschuss-Sitzungssäle, Besprechungs- und Schulungsräume, eine gastronomische Einrichtung, Magazin- und Archivflächen, ein Rechenzentrum sowie ein Postverteilzentrum mit einer Poströntgenkontrolle entstehen. Zwei der Ausschuss-Sitzungssäle sollen abhörgesichert sein. Über zwei Tunnel, die die Luisenstraße unterqueren, soll der Luisenblock Ost mit dem gegenüberliegenden Erweiterungsbau des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses und mit dem unterirdischen Erschließungssystem des Parlamentsviertels verbunden werden.

Nachdem die Baukommission die Pläne für die Umgestaltung des Luisenblocks am Mittwoch gebilligt hat, soll im nächsten Schritt ein Architekturwettbewerb für das Gebiet im westlichen Teil des Areals ausgelobt werden. Außerdem steht an, die Auftragsvergabe für bauvorbereitende Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Der Baubeginn der „Hauptbaumaßnahme“ ist für das Jahr 2027 vorgesehen, die Fertigstellung für Ende 2032. Die Übergabe an die Nutzer ist für „circa 2034“ angedacht.

Neuer städtebaulicher Wettbewerb für ein Teilgebiet nötig Für das rund 30.000 Quadratmeter große Teilgebiet des Luisenblocks Ost, das sich Richtung Bahnhof Friedrichstraße erstreckt, soll die künftige Gestaltung in einem neuen städtebaulichen Wettbewerb ermittelt werden. Er wurde nötig, weil es für eine Umsetzung des preisgekrönten Entwurfs des Architekturbüros Kusus und Kusus aus dem Jahr 2009 zwischenzeitlich politisch keine Mehrheit gab.

Der Entwurf sah vor, das städtebauliche „Band des Bundes“ aus Kanzleramt, Paul-Löbe-Haus und Marie-Elisabeth-Lüders-Haus mit einer kurvenartigen Bebauung in den Luisenblock Ost zu verlängern – und damit zu einem Abschluss zu bringen. Der Entwurf stieß jedoch auf Widerstand, weil dabei das Verdi-Haus abgerissen werden sollte. Daraufhin verständigten sich Berlin und der Bund auf eine Neuplanung. Einen neuen städtebaulichen Wettbewerb soll es nun jedoch nur für das östliche Areal geben.

Eigentlich schien die neue Planung schon auf gutem Weg. Bei einer Bürgerbeteiligung Ende 2021 und Anfang 2022 durften interessierte Berliner jedenfalls Ideen und Anregungen für den Wettbewerb formulieren. Dann wurde die Fertigstellung der Wettbewerbsunterlagen aber zunächst gestoppt. Auf der Homepage der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ist von einer „Verfahrenspause“ die Rede – zur „Abstimmung grundlegender Sachverhalte“, wie es heißt. Dahinter verbirgt sich nach Informationen der Berliner Zeitung die Klärung darüber, wie mit dem Verdi-Haus umgegangen wird.

Verdi soll mittlerweile bereit sein, sein Grundstück an den Bund zu geben. Im Gegenzug soll die Gewerkschaft eine Ausgleichsfläche an anderer Stelle des Areals erhalten. Damit könnte der Bund das jetzige Grundstück von Verdi für eigene Zwecke einplanen, sofern eine vertragliche Einigung zustande kommt.

Senatsverwaltung verweist auf noch zu klärende Punkte Bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hieß es am Donnerstag auf Anfrage: „Der Wettbewerb ruht noch.“ Es sei jedoch „Einvernehmen erzielt“ worden „im Umgang mit der Grundstücksneuordnung im Block“. Der genaue Zuschnitt stehe jedoch noch nicht fest, „da nachbarschutz-rechtliche Punkte insbesondere zum Stadtbahnviadukt zu klären sind“.

Was noch für Streit sorgen könnte: Ein Erhalt des jetzigen Verdi-Hauses soll wohl auch im neuen Wettbewerb noch immer nicht vorgeschrieben werden. Der Umgang mit dem Haus soll vielmehr den Wettbewerbsteilnehmern freigestellt werden.

Da die Kosten für die Bebauung im ersten Teilgebiet des Luisenblocks Ost bereits auf fast 900 Millionen Euro veranschlagt werden, ist davon auszugehen, dass sich die Ausgaben für die Gestaltung des gesamten Luisenblocks auf deutlich mehr als eine Milliarde Euro, vielleicht sogar auf zwei Milliarden Euro belaufen.

Noch nicht alle Kosten in der Planung enthalten Ohnehin steht schon fest, dass die jetzige Kostenplanung nicht alle Ausgaben abdeckt. Nicht enthalten ist die „umfassende Gründungssanierung“ des Gebäudes in der Luisenstraße 32 bis 34. Auch die Ersteinrichtung der Neubauten ist finanziell noch nicht berücksichtigt. Hinzu kommen Ausgaben für den Straßenbau entlang der Bahntrasse sowie für die Verschwenkung des Schiffbauerdamms auf den historischen Straßenverlauf – Richtung Spree. Der Umbau der Einfahrtskontrolle in das unterirdische Erschließungssystem kommt ebenfalls noch dazu.

Der Bund der Steuerzahler beobachtet die Entwicklung mit Sorge. „Wir brauchen eine Generalrevision für Prestigebauten der Politik“, sagt Reiner Holznagel, der Präsident der Steuerzahlerbundes. „Das betrifft auch die kostspieligen Um- und Erweiterungsbaupläne für den XXL-Bundestag.“ Schließlich müsse auch die Zweiteilung der Regierung nach dem Berlin /Bonn-Gesetz „insgesamt zur Disposition gestellt werden“.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP), Vorsitzender der Baukommission, verteidigt die Neubaupläne. „Es wird nun höchste Zeit, die letzten noch ausstehenden Gebäude auf dem Luisenblock Ost (LBO) zu bauen “, sagt er. Diese Fläche sei bereits seit den 1990er-Jahren als Vorbehaltsfläche für den Bundestag vorgesehen. „Der Bedarf für den Bundestag ist nach wie vor sehr hoch“, sagt Kubicki. „Dies hängt nicht alleine mit der Anzahl der Abgeordneten zusammen, denn das Wahlrecht ist nicht in Stein gemeißelt.“

Große Teile der Verwaltung etwa seien „weitab des Parlaments in teuren angemieteten und ihrerseits sanierungsbedürftigen Gebäuden untergebracht“, sagt Kubicki. Auf lange Sicht sei es „wirtschaftlicher, die Verwaltung zu bündeln und diese Liegenschaften abzustoßen“. Um einen reibungslosen Betrieb für die gewählte Vertretung des Volkes zu gewährleisten, müsse die Baukommission des Bundestages „für viele Jahre vorausschauend planen“, so Kubicki. „Dies bezieht sich nicht nur auf den Raumbedarf, sondern auch auf – bedauerlicherweise – gestiegene Anforderungen an die Sicherheit.“ Aber auch nachhaltige Aspekte müssten berücksichtigt werden.

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